1. BUNDESLIGA DAMEN: Top-Wochenende für Langstadt, Kolbermoor schwer im Kommen



Auch am Sonntag wurde in Deutschlands höchster Damen-Spielklasse Tischtennis auf Topniveau geboten. Der SV DJK Kolbermoor konnte auch aus Böblingen die Punkte entführen und unterstrich beim 6:2-Sieg den klaren Aufwärtstrend, seit Kristin Lang wieder an Bord ist. Und der TSV Langstadt krönte ein Vier-Punkte-Wochenende mit einem 6:2 gegen das dezimierte Team der TTG Bingen/Münster-Sarmsheim.

Allerdings war es keine einfache Übung gegen die beherzt kämpfenden Rheinhessinnen, die in den engen Matches etwas Pech hatten. Doch was zählt sind die Punkte, und der TSV konnte sein Konto auf 7:3 erhöhen und sich – punktgleich mit Kolbermoor, aber mit besserem Spielverhältnis – auf den Spitzenplatz in der stärksten Liga Europas emporarbeiten. Eine Momentaufnahme der Tabelle, die allen in der recht dörflichen südhessischen Damen-Tischtennis-Metropole Langstadt mächtig Spaß macht.

SV Böblingen – SV DJK Kolbermoor 2:6

Ein vorzüglicher Auftritt des Meisterschaftsmitfavoriten im „Ländle“. Kristin Lang überragte im Team der Oberbayern mit zwei glatten Siegen über Qianhong Gotsch, deren virtuoses Defensivspiel ihr bestens liegt, und Mitsuki Yoshida. Anastasia Bondareva wusste ebenfalls mit Erfolgen gegen die Kaufmann-Schwestern zu gefallen, wobei das 3:2 gegen die in letzter Zeit so starke Annett Kaufmann schon etwas überraschend kam. Yuan Wan punktete ungefährdet gegen Mitsuki Yoshida, während Defensivstrategin Svetlana Ganina einen Punkt gegen Alexandra Kaufmann einfahren konnte. Für Böblingen war Qianhong Gotsch einmal erfolgreich (3:1 gegen Yuan Wan) sowie Annett Kaufmann, die fast schon sensationell Svetlana Ganina nicht einen Satz überließ (11:3, 11:7, 12:10).

In Böblingen hatte man sich schon einen Tick mehr gegen Lang und Co. erhofft. Vor dem letzten Vorrundenspiel in Langstadt steht man nun mit immer noch positivem Punktekonto (6:4) auf dem vierten Tabellenplatz – kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen.

Annett Kaufmann zog zwar gegen Anastasia Bondareva den Kürzeren, konnte aber im zweiten Durchgang keine Geringere als Svetlana Ganina schlagen.

„Mit den bayerischen Vereinen kann es die SV Böblingen anscheinend nicht so“, schrieb Pressewart Manfred Schneider in seinem Bericht für die Medien. Eine Woche nach dem 2:6 gegen Schwabhausen gab es erneut ein 2:6, diesmal gegen den anderen Bundesligisten aus Oberbayern. Folgen wir noch einen Moment Schneiders Schilderung des ersten Matchs. „Zum Spiel. Selbstverständlich unter Corona-Auflagen, ohne Zuschauer, in diesmal leicht temperierter Halle. Qianhong Gotsch verlor den episch langen ersten Satz mit 14:16 gegen eine gut aufschlagende Wan Yuan aus Kolbermoor. Im zweiten Satz glänzte Gotsch dann mit exzellenten Vorhand-Attacken. Der dritte war verrückt. 7:3 lag die Böblingerin vorne, dann 7:10 hinten. „Was mach‘ ich denn da?“ rief sich „Hongi“ zur Ordnung. Es half, mit 13:11 gewann sie doch noch. Im vierten dann die SVB-Spielerin mit vielen Schnitt-Varianten und einem überlegenen 11:6.“

Viel mehr sollte an jenem Sonntagvormittag aus Sicht der Gastgeberinnen nicht kommen, „nur“ noch Annett Kaufmanns Sieg gegen die 28 Jahre ältere Ganina. Doch zunächst einmal musste das größte deutsche Talent im Schülerinnen-Bereich nach einem 9:11 im fünften Satz Anastasia Bondareva gratulieren. „Das war schade. Aber das gehört zum Lernen dazu, so etwas kann immer wieder passieren. Keiner hier wird deswegen Annett einen Vorwurf machen“, versicherte SVB-Manager Frank Tartsch. Die 14-Jährige Linkshänderin dankte es kurz darauf mit ihrem Erfolg über die frühere Weltklassespielerin Ganina.

„Der Sieg für die Gäste ist verdient, aber etwas zu hoch ausgefallen. Annett und Alex haben trotz allem gut gespielt“, kommentierte SVB-Coach Sönke Geil die unterhaltsamen 140 Minuten kurz und prägnant.

Für die Böblinger hieß es am Sonntag auch Abschied nehmen vom Tischtenniszentrum in seiner bisherige Form. Der Klubraum wird weichen, Xu’s Tischtennis-Shop ist bereits in den Silberweg 18 umgezogen. Ein neuer Kindergarten wird integriert werden, der das TTZ enorm aufwerten wird. So zumindest die Einschätzung von SVB-Präsident Jochen Reisch.

Michael Fuchs war äußerst zufrieden mit der Performance seiner „Mädels“. „Ein toller Erfolg für uns zum [vorläufigen] Abschluss der Vorrunde. Eine geschlossene Mannschaftsleistung – jede konnte etwas zum Sieg beisteuern“, so Kolbermoors Trainer. „Kristin steigert sich weiter nach ihrer Pause und gewinnt beide Spiele souverän – Respekt. Ein besonderes Lob geht heute an Anastasia mit ihren zwei Siegen. Nach mehreren unglücklichen Spielen in den letzten Wochen, wo sie teilweise hoch geführt und dennoch verloren hat, konnte sie sich heute auch mal selbst belohnen. So eine Phase ist nie ganz einfach, aber ähnlich wie bei Yuan letzte Woche, hoffe ich, dass ihr die Siege wieder mehr Selbstvertrauen geben.“ Auch mit Yuan Wans Darbietung war Fuchs nämlich absolut einverstanden: „Yuans Sieg gegen Mitsuki war sehr überzeugend und auch im Duell gegen Hongi hatte sie ihre Chancen. Bei ihr zeigt die Formkurve auf jeden Fall nach oben.“ Nicht so gut lief es bei der erfahrensten Spielerin: „Trotz ihres Sieges gegen Alexandra Kaufmann hat Svetlana heute leider unter ihren Möglichkeiten gespielt, aber hier auch Respekt an Annett Kaufmann, die ihr großes Potential angedeutet hat und sich im Vergleich zum Pokal sehr gesteigert hat.“

Anastasia Bondareva (Archivbild im HTTV-Outfit) erwischte einen Toptag und besiegte die Kaufmann-Schwestern.

Fuchs zieht eine kurze Vorrundenbilanz, auch wenn das Topspiel der Meisterschaftsfavoriten gegen berlin eastside noch nachgeholt werden muss, was aber erst im neuen Jahr geschehen wird: „Insgesamt können wir mit der Vorrunde zufrieden sein und freuen uns auf die Rückrunde. Für uns beginnen jetzt die Vorbereitungen auf das Final Four in Berlin, wo wir den nächsten Angriff auf einen Titel starten werden.“

TSV Langstadt – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim 6:2

Am Tag nach der vorzüglichen Leistung in Schwabhausen gestaltete sich die „Übung“ – ungeachtet des etwas schmeichelhaften Ergebnisses – gegen den dezimierten, mit drei Spielerinnen angereisten Tabellenletzten Bingen ein gutes Stück schwieriger. Bei Petrissa Solja ist seit der „China Bubble“ im November etwas der Wurm drin. Gegen Bingen musste sie erstmals einer wirklich stark aufspielenden Chantal Mantz gratulieren. In Langstadt sieht man das kleine Zwischtentief des Publikumslieblings gelassen: „Ich denke es ist klar, dass sie selbst im Moment mit den Ergebnissen nicht zufrieden ist“, so der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer. „Doch auch sie ist nur ein Mensch und keine Maschine. Zudem gibt‘s in der Bundesliga vorne ja auch keine Laufkundschaft mehr. Da hilft nur eins: weiter trainieren, rankämpfen und dann geht die Kurve auch wieder nach oben. Wir haben eine gute Mannschaft, auch außerhalb des Teams, die ihr die bestmögliche Unterstützung dazu geben wird.“

Es läuft zurzeit nicht optimal bei Petrissa Solja, doch in Langstadt ist man zuversichtlich, dass sie bald wieder in alter Form aufspielen wird.

Die Ägypterin Dina Meshref, die sich zu einer wirklich soliden Verstärkung für das obere Paarkreuz gemausert hat – mit einer 5:5-Bilanz gegenwärtig gleichauf mit der Weltranglisten-19. Solja – punktete gegen Bingens Italienerin Giorgia Piccolin (3:2) ebenso wie Solja (3:0). Gegen Mantz konnte allerdings auch Meshref nichts ausrichten.

Hinten zeigte man sich ohnehin von seiner besten Seite – sämtliche Matches des Wochenendes wurden von der erfahrenen Tanja Krämer und dem 18-jährigen „Nesthäkchen“ Franziska Schreiner – mit einer Zwischenbilanz von 7:2 inzwischen richtig erfolgreich – gewonnen. Und da, wo es eng zuging, erwies man sich als nervenstark, so bei Krämers 3:2 über die Ungarin Orsolya Feher in Schwabhausen oder Schreiners wie Krämers 3:2 gegen Bingens mit Herzblut kämpfende tschechische Linkshänderin Katerina Tomanovska, die sich für ihren großen Aufwand nicht belohnen konnte. 

Der direkt nach dem Coup von Schwabhausen geäußerte Wunsch von TSV-Coach Thomas Hauke („jetzt noch einen Sieg gegen Bingen und das Wochenende wäre perfekt!“) erfüllte sich 24 Stunden später: Dass es gegen den Außenseiter aus Rheinhessen, dessen halber Kader Corona-bedingt derzeit in den USA, Indien und Weißrussland festsitzt, etwas sperrig war, erklärte Hauke dann so: „Das war wie beim Fußball, wenn elf gegen zehn spielen.“ Der Tischtennislehrer fügte hinzu: „Die Mannschaft hat sich schwergetan, aber letztlich doch ein klares Ergebnis erzielt. Deshalb sind wir mit dem Wochenende natürlich sehr zufrieden.“ Manfred Kämmerer formulierte es so: „Die Leichtigkeit von gestern war gegen Bingen nicht da, das war Schwerstarbeit heute, doch Hauptsache wir haben gewonnen.“ Petrissa Solja weiß, dass sie im Augenblick nicht ihr allerbestes Tischtennis spielt, doch es geht ihr in erster Linie um das Team: „Die Mannschaft hat die volle Punktausbeute am Wochenende geholt, das war das Ziel und das haben wir geschafft.“ Und die so erfolgreiche „Franzi“ Schreiner hätte gerne die als heißblütig bekannten Langstädter Fans im Rücken gespürt: „Es ist natürlich schade, dass wegen Corona keine Zuschauer erlaubt sind. Die hätten bei den knappen Spielen sicher super Stimmung gemacht. Jetzt wollen wir nächste Woche gegen Böblingen die Vorrunde erfolgreich abschließen.“

Chantal Mantz war beste Bingener Spielerin in Langstadt mit Siegen über Solja und Meshref, doch das 2:6 konnte auch sie nicht verhindern.

„Wie schon am Samstag in Weil war das wieder eine gute Leistung und Einstellung aller drei Spielerinnen“, so TTG-Vorsitzender Joachim Lautebach. „Überragend spielte Chantal, die beide Spitzeneinzel gewinnen konnte. Schade, dass alle drei Fünfsatzspiele verloren wurden. Aber es ist halt bei der Stärke und Ausgeglichenheit der Mannschaften schwierig, mit nur drei Spielerinnen zu punkten. Jedenfalls haben wir trotz Corona-Pandemie und Aufstellungsproblemen gespielt und uns gut verkauft.“

Beitragsbild oben: Kristin Lang brillierte in Böblingen und ließ sogar Qianhong Gotsch keine Chance.

Text & Fotos (5): Dr. Stephan Roscher