#RESTART bleibt umstritten: Boll und Co. äußern sich kritisch



Das Teilnehmerfeld der vom Weltverband ITTF geplanten Turnierserie #RESTART bleibt offen und die Rückgabe des ursprünglich in Düsseldorf geplanten LIEBHERR Men’s Word Cup zu Gunsten der im November in China gebündelten Topevents stößt nicht nur auf Gegenliebe unter den Aktiven. In Schreiben an die Verantwortlichen des Weltverbandes verweisen Tischtennis-Profis verschiedener Nationalverbände auf unvereinbare Terminkollisionen. Auch die deutschen TOP 3 – Timo Boll (Foto), Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska – haben ihre Bedenken in einem offenen Protestbrief vorgebracht.

#RESTART-Serie kollidiert mit vertraglichen Verpflichtungen der Spieler

Zwar begrüßen die Profis, die den World Cup für Oktober und nicht November eingeplant hatten, grundsätzlich die Initiative des Weltverbandes für eine Rückkehr zu den Topevents. Der Weltverband hatte die Ausrichtung unter anderem der beiden World-Cup-Turniere und der Grand Finals innerhalb einer #RESTART-Serie im gesamten November an einem noch nicht genannten Veranstaltungsort bekannt gegeben. Verbunden wäre die Teilnahme für die Athleten allerdings mit einem Reisezeitraum von sechs bis acht Wochen, da bei der Einreise und Rückkehr jeweils eine zweiwöchige Quarantäne verlangt werden könnte. Doch dies wäre unvereinbar mit den vertraglichen Verpflichtungen für die Vereine und Sponsoren, wie auch die Topstars des DTTB erklären.

Boll und Ovtcharov reden Klartext

Timo Boll äußerte sich in einem Interview mit der dpa auch zu dieser Thematik: „Der Weltverband hat uns Spieler mehrfach gefragt, ob wir uns vorstellen könnten – ähnlich wie die NBA im Basketball – für einige Wochen in einer Art Blase zusammenzukommen. Das heißt, uns in einem Hotel mit angeschlossener Halle zu treffen und dort einige Turniere auszutragen. Ich persönlich war da eher skeptisch. Zum einen beginnt jetzt bei uns die Bundesliga, was eine solche ‚Bubble‘ allein aus Vereinssicht schon einmal schwierig machen würde. Außerdem würde das eventuell bedeuten, dort vor Ort in Quarantäne zu müssen und danach wieder hier vor Ort in Quarantäne zu müssen. Dafür würde viel Zeit draufgehen. Aber klar: Jeder macht sich Gedanken, wie man etwas ausrichten und von dem ursprünglichen Turnierplan retten könnte. Das werden noch spannende Zeiten.“

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung wird der Rekordeuropameister noch deutlicher: „Die Bundesliga findet in dieser Zeit auch statt und ist für die meisten Spieler momentan die lebensnotwendige Haupteinnahmequelle. Da überlegt man sich dreimal, ob man seinen Verein vergrault, indem man wochenlang in China spielt. Ich kann mir das im Moment nicht vorstellen.“ Auch „Dima“ Ovtcharov nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wir haben Verträge in Vereinen und können diese nicht brechen. Da können ich und eine Vielzahl anderer Spieler vor allem aus Europa nicht teilnehmen.“

Vergabe von Weltranglistenpunkten im Fokus der Kritik: Weikert äußert Verständnis für Spieler

ITTF-Präsident Thomas Weikert äußert Verständnis für den Unmut vieler Spieler, gerade was die Frage der Weltranglistenpunkte betrifft, die für Tokio wichtig werden könnten. Er bewertet den Protest nicht zuletzt als einen „Hilferuf an die ,World Ranking Group‘ zu überlegen, ob man es nicht auch anders regeln könnte.“ Er selbst sei bei einem Voting über den geplanten Punktevergabemodus überstimmt worden. „Ich bin sehr für diese Turnierserie, finde aber, man darf die Spieler mit dem Druckmittel Weltrangliste nicht zwingen teilzunehmen“, so Weikert. „Spieler, die teilnehmen, sollten vielmehr mit einer Art Bonus für die Weltrangliste belohnt werden. Ich hoffe, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.“

Gerade die Frage der Weltranglistenpunkte ist in Hinblick auf #RESTART umstritten. Bei einer Nichtteilnahme der Spieler an Weltpokal und Grand Finals ist laut internationalem Regelwerk im Normalfall der Abzug von Punkten aus dem Jahr 2019 fällig. Die Athleten appellieren an die ITTF, diese Regelung aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation zu überdenken.

DTTB hofft auf einvernehmliche Lösung

Der DTTB hofft, dass es möglichst rasch zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen Spielern und ITTF kommt. „Die Initiative der ITTF mit der Zusammenfassung von Top-Events ist im Kern ein begrüßenswerter Ansatz“, so DTTB-Präsident Michael Geiger. „Deshalb haben wir auf Wunsch der ITTF den LIEBHERR Men’s World Cup 2020 zurückgegeben.“ Der nationale Verband hätte eine Lösung mit mehreren ITTF-Events in Deutschland favorisiert, dies sei  aber in der vom Weltverband vorgegebenen Form nicht umsetzbar gewesen. Der DTTB wünsche sich die angemessene Berücksichtigung der Interessen von Bundesliga- und Champions-League-Vereinen. „Die Entscheidung, ob ein Spieler an einem Turnier teilnimmt, bleibt unter den besonderen Umständen der Pandemie immer eine sehr individuelle, die jeder Ausrichter respektieren muss. Wir hoffen, dass ITTF und Spieler über noch offene Fragen bald Einvernehmen erzielen“, gibt Geiger zu Protokoll.

Solja einzige deutsche Dame beim Bubble-Event

Auch eine deutsche Dame wäre beim World Cup und dem Bubble-Event am Start. Petrissa Solja (TSV Langstadt) hatte zu Jahresbeginn das Europe Top 16 gewonnen und ist die aktuelle Nummer 20 der Welt. Solja, die mit ihrem Klub nur in der Bundesliga aufschlägt und nicht in der Königsklasse oder dem Europapokal, ist für die China-Serie gemeldet, wartet aber als Sportsoldatin noch auf die offizielle Freistellung von einem parallel laufenden Bundeswehr-Lehrgang.

Text & Foto: Dr. Stephan Roscher