Do., 26. Juni 2025
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StartInternationalOlympia 2020: Vorsichtige Zielsetzung bei der Pressekonferenz

Olympia 2020: Vorsichtige Zielsetzung bei der Pressekonferenz

Von David Rieß

Beim Medien-Tag des DTTB versammelte sich die deutsche Olympia-Delegation in Düsseldorf und blickte auf das kommende Großereignis in Tokio. Auch wenn Vorfreude und Motivation dominierten, waren die Ziele der deutschen Mannschaft gewohnt defensiv formuliert – insbesondere bei den Herren!

Die Stimmung im deutschen Team schien sehr gut, als die acht Nominierten unmittelbar nach einer Trainingseinheit vor die Pressemikrofone traten: Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov tuschelten und lachten, Sportdirektor Richard Prause strahlte derweil eine beruhigende Gelassenheit aus.

Ins Bild passte daher auch, dass sich Prause kaum auf ein genaues oder gar ambitioniertes Ziel für die Olympischen Spiele festlegen ließ. Sicher, man wolle um Medaillen mitspielen, dies sei aber schwer zu planen – ähnlich äußerte sich auch Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf, der dennoch eine Lust auf Medaillen formulierte. Interessant dabei ist, dass Prause zwischen dem Damen- und dem Herren-Team bei seiner Bewertung keinen merklichen Unterschied machte: Dabei wäre eine erneute Silbermedaille für die Frauen eine kleine Sensation, während sie bei den Herren der Setzung entspräche.

Roßkopf: „Statistiken und Setzungen gewinnen keine Medaillen“

In diesem Punkt musste auch Jörg Roßkopf zustimmen: Er habe einen sehr starken Kader, aber angesichts der wenigen Wettkämpfe rechne er mit Überraschungen und wolle nicht explizit eine Medaille fordern! Dies steht ein wenig im Gegensatz zur nominellen Situation: Das deutsche Herren-Team ist nicht nur erneut an Position 2 gesetzt, sondern verfügt mit Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska zusätzlich über einen historisch starken Kader. Doch in der Tat gilt Jörg Roßkopfs Entgegegnung häufig im Sport: „Statistiken und Setzungen gewinnen keine Medaillen“.

Und tatsächlich war trotz einer fantastischen Europameisterschaft mit vier Titeln nicht alles rosig: Sowohl Timo Boll/Patrick Franziska als auch Petrissa Solja/Patrick Franziska blieben in ihren Doppeln weit unter den Erwartungen. Erneut wurde jedoch angekündigt, daran zu arbeiten. Schließlich hatte sich Timo Boll nach dem Aus bei der EM selbstkritisch gezeigt und mangelndes Doppel-Training angesprochen. Dies wird unter anderem bei der „Tokio Challenge“ in Düsseldorf möglich sein, wo am 9. und 10.7. das deutsche Olympia-Team auf die eigene „zweite Mannschaft“ treffen wird. Zunächst im olympischen System, am Folgetag in einem Einzelwettbewerb unter Wettkampfbedingungen.

Diese scheinen gerade für Timo Boll eine große Rolle zu spielen. Schließlich habe er im Training der letzten Woche „kaum einen Satz“ gewonnen. Seine Leistung bei der EM sprach jedoch Bände. Generell ist der Odenwälder vor seinen „wahrscheinlich letzten“ Olympischen Spielen sehr entspannt und aufgeräumt: Er genieße nach seiner schweren Verletzung im Jahr 2020 einfach, noch so erfolgreich spielen zu können, wobei er sich keine konkreten Ziele mehr setze. Dennoch weiß Boll: „In einer guten Verfassung kann ich sehr weit kommen.“

Dies könnte auch für das an 7 gesetzte Mixed-Doppel Patrick Franziska/Petrissa Solja gelten, wenngleich der 29-jährige Franziska seiner Bestform zuletzt hinterherhechelt. Dabei zeigte sich Franziska erneut nicht allzu enttäuscht über das Abschneiden bei der EM: „Es war nicht nur schlecht, ich konnte mich von Runde zu Runde steigern!“ Es bleibt zu hoffen, dass der Odenwälder seine Form passend zu Olympia wiederfindet. Schließlich sei die EM ohnehin „nur ein Zwischenschritt gewesen“, wie es Bundestrainer Roßkopf formulierte.

Deutsche Damen wirken gieriger

Erstaunlich war der Kontrast zu den deutschen Damen, die individuell und im Team eine schlechtere Setzung vorweisen können, aber nach einer defensiven Stellungnahme Richard Prauses offener über ihre Ziele sprachen! So betonte Spitzenspielerin Han Ying, dass sie „keinen Druck auf ihre Mitspielerinnen aufbauen“ wolle, sie aber dennoch eine Team-Medaille anvisiere. Sie selbst werde unter Druck ohnehin besser.

Bestätigung erhielt Han von Shan Xiaona, die ebenfalls erneut in Richtung Edelmetall schielt und auch Doppel-Europameisterin Petrissa Solja verspüre noch immer „Hunger“. Nichtsdestotrotz fiel ihr die Formulierung von Zielen nach ihrem großen Erfolg am schwersten, da sie jetzt auch entspannter nach Tokio reise.

Bundestrainerin Jie Schöpp betonte im Zusammenhang mit der Nominierung noch mal, dass ihr die Entscheidung gegen Nina Mittelham nicht leicht gefallen sei. Dieser gehöre allerdings die Zukunft und sie wird als Ersatzspielerin ohnehin mit ins deutsche Quartier reisen.

Generell stehe laut Schöpp und Prause mittelfristig ein altersbedinger Umbruch an, der Schöpp allerdings noch keine schlaflosen Nächte bereitet. Dabei merkt Sportdirektor Prause an, dass „die Spielerdecke bei den deutschen Frauen eher dünn“ sei. In der Tat muss hier in den nächsten Jahren etwas geschehen, wenn die deutschen Damen ihre Position als drittstärkstes Team nicht 2024 verlieren wollen.

Die deutschen Olympia-Starter in der Übersicht

Damen-Mannschaft

  • Petrissa Solja (WR: 16, Verein: TSV Langstadt) – Teilnahme: Einzel, Mixed, Mannschaft
  • Han Ying (WR: 22, KTS Enea Siarka Tarnobrzeg, Polen) – Einzel, Mannschaft
  • Shan Xiaona (WR: 33, ttc berlin eastside) – Mannschaft
  • Nina Mittelham (WR: 40, ttc berlin eastside) – Ergänzungsspielerin Mannschaft

Herren-Mannschaft

  • Timo Boll (WR: 10, Verein: Borussia Düsseldorf) – Teilnahme Tokio-Wettbewerbe: Einzel, Mannschaft
  • Dimitrij Ovtcharov (WR: 8, Fakel Gazprom Orenburg, Russland) – Einzel, Mannschaft
  • Patrick Franziska (WR: 16, 1. FC Saarbrücken TT) – Mixed, Mannschaft
  • Benedikt Duda (WR: 40, TTC Schwalbe Bergneustadt) – Ergänzungsspieler Mannschaft

Text: David Rieß

Foto: Johannes Gohlke

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