Der Siegeszug von Patrick Franziska bei den Australian Open endete in einem spektakulären Halbfinal-Thriller, in dem der Deutsche Xu Xin nach Matchball mit 10:12 im Entscheidungssatz unterlag. Xu sicherte sich anschließend auch den Titel, während in der Damen-Konkurrenz Sun Yingsha triumphierte.
Beim 7:11, 11:5, 6:11, 11:6, 11:6, 9:11 und 10:12 diktierte der EM-Dritte aus dem Odenwald das Match gegen den derzeit besten Spieler der Welt bei seinen eigenen Satzgewinnen fast nach Belieben. Die verlorenen Durchgänge verliefen knapper, besonders in der entscheidenden Phase des hochklassigen Duells.
Nach 3:2-Satzführung stand Franziska, der noch einen Tick besser spielte als im Achtelfinale gegen Fan Zhendong, in Durchgang sechs bei 7:5 und 9:9 erstmals dicht vor dem Sieg. Im Entscheidungssatz erkämpfte er sich zudem bei 10:9 einen Matchball, den er indes nicht nutzen konnte. „Mein Return ist vielleicht einen Tick zu hoch gewesen, und dann schlägt es eben gleich ein“, lässt der Noch-Weltranglisten-17. jene Szene Revue passieren. „Deshalb ist er auch die Nummer eins der Welt. So nahe liegt das beieinander. Gestern habe ich gegen Falck vier Matchbälle abgewehrt, und heute durfte ich bei einem eigenen nur ganz nahe dran schnuppern.“ Als Xu das Match nach Hause geschaukelt hatte, jubelte er als habe er die Weltmeisterschaft gewonnen. Ihm war bewusst, wie gut Franziska gespielt hatte und dass sein Sieg beileibe keine Selbstverständlichkeit war.
Es war die insgesamt vierte Niederlage des 27-jährigen DTTB-Spielers gegen Xu in vier Aufeinandertreffen. So knapp wie diesmal war es aber noch nie. „Ich habe voller Selbstvertrauen gespielt und war mir auch im Match immer sicher, dass ich heute gegen ihn gewinne“, so Franziska. „Jetzt bin ich natürlich erst einmal tief enttäuscht, weil wirklich sehr, sehr viel drin war. Alles in allem war es aber ein supertolles Turnier für mich, das mir noch mehr Selbstvertrauen geben wird. Und es zeigt mir, dass ich auf einem sehr guten Weg bin. Und irgendwann fällt dann auch Xu Xin.“
Im Finale sicherte sich der „Xu-perman“ anschließend den Titel mit einem lockeren 4:0-Erfolg über seinen Landsmann Wang Chuqin, der im zweiten Vorschlussrundenmatch keinen Geringeren als Weltmeister Ma Long mit 4:2 ausgeschaltet hatte.
Der Spieler des Turniers war fraglos aber Patrick Franziska. Ein Gewinner der Australian Open war aber auch der DTTB, der sich freuen darf, mit dem 27-jährigen Odenwälder nun einen dritten Spieler zu haben, der mit den Top-Chinesen auf Augenhöhe agieren und jene an guten Tagen schlagen kann. Gerade wenn man nicht über die Dichte an Topleuten verfügt wie etwa Japan, von den Chinesen natürlich ganz zu schweigen, muss man sich umso mehr über jeden Einzelnen freuen, der oben angekommen ist. Eine Bronzemedaille bei einem hochkarätigen Platinum-Turnier, die sich wie Silber, veredelt mit einer Gold-Legierung anfühlt. Das hat vor Geelong kaum einer erwartet, auch wenn die Aufwärtstendenz des Saarbrücker Bundesligaprofis in den letzten Monaten kaum jemandem verborgen geblieben war.
Sun Yingsha lässt Ding Ning alt aussehen
So bitter es für die mit einem Olympiasieg, zwei World Cup-Siegen und drei Weltmeisterschaftstiteln im Einzel zu den erfolgreichsten Tischtennisspielerinnen überhaupt zählende Ding Ning sein mag: Im Finale des Damen-Einzels war Chinas weibliche Tischtennis-Ikone beim 0:4 gegen die 18-jährige Sun Yingsha klar die unterlegene Spielerin, die erfolgreich Revanche für die Korea Open nahm, wo sie vor einer Woche das Halbfinal-Duell mit Ding noch ganz knapp verloren hatte. Und es kam nicht einmal sonderlich überraschend, denn es hatte sich in den letzten Wochen angedeutet. Sun fegte alles, was kam, vom Tisch, während die 29-jährige Ding zwar meist noch weit kam, aber gegen die wirklich starken Gegnerinnen schwer zu kämpfen hatte. Die Wachablösung scheint so gut wie vollzogen. Als Zwischenschritt wird Sun zunächst einmal im August unter die Top 10 der Welt vorstoßen – momentan ist sie noch Elfte –, doch mittelfristig wird sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach in den Top 5 festsetzen.
In den drei Doppel-Wettbewerben hatten sich am Samstag die Südkoreaner Jeoung Youngsik/Lee Sangsu (Herren-Doppel), die im Viertelfinale die DM-Zweiten Franziska/Ricardo Walther ausgeschaltet hatten, die Chinesinnen Chen Meng/Wang Manyu (Damen-Doppel) sowie das Hongkong-Duo Wong Chun Ting/Doo Hoi Kem die Titel geschnappt.
AUSTRALIAN OPEN 2019
Ergebnisse im Herren-Einzel
Finale
Xu Xin CHN – Wang Chuqin CHN 4:0 (6,8,4,8)
Halbfinale
Patrick Franziska GER – Xu Xin CHN 3:4 (-7,5,-6,6,6,-9,-10)
Ma Long CHN – Wang Chuqin CHN 2:4 (-8,6,-4,8,-7,-8)
Weitere Matches Franziskas bei den Australian Open
Viertelfinale
Patrick Franziska GER – Mattias Falck SWE 4:3 (6,-10,-9,-3,10,8,9)
Achtelfinale
Patrick Franziska GER – Fan Zhendong CHN 4:2 (-8,-7,4,9,4,7)
Beste 32
Patrick Franziska GER – Kazuhiro Yoshimura JPN 4:0 (8,3,3,6)
Ergebnisse im Damen-Einzel
Finale
Sun Yingsha CHN – Ding Ning CHN 4:0 (1,9,9,9)
Halbfinale
Kasumi Ishikawa JPN – Sun Yingsha CHN 0:4 (-3,-7,-10,-10)
Ding Ning CHN – Mima Ito JPN 4:3 (3,-8,4,-8,-9,7,8)
Australian Open 2019 auf der Webseite der ITTF
Sehenswertes Video: Best Shots Xu Xin vs. Patrick Franziska (ITTF)
Text: Dr. Stephan Roscher
Fotos (3): ITTF