Die World Tour macht keine Pause. Am heutigen Mittwoch beginnen die Pjöngjang Open in der gleichnamigen Hauptstadt der „Demokratischen Volksrepublik Korea“, also in Nordkoreas 3,3-Millionen-Einwohner-Metropole. Anders als bei den letzten ITTF-Turnieren sind die Meldungen äußerst bescheiden.
Lediglich acht Nationen haben für das am Sonntag endende Turnier gemeldet, Ausrichter Nordkorea stellt insgesamt 37 der nur 57 Teilnehmer – 19 von 31 Herren, 18 von 26 Damen. Die großen Tischtennisnationen glänzen weitestgehend durch Abwesenheit, auch Südkorea ist nicht vertreten und Hongkong hat seine drei ursprünglich gemeldeten Spielerinnen der gehobenen Kategorie wieder abgemeldet. Nur Taiwan ist mit fünf Herren und sechs Damen zahlenmäßig ordentlich repräsentiert, allerdings handelt es sich ausnahmslos um junge Aktive, die noch der zweiten und dritten Reihe zuzurechnen sind – also kein Lin Yun-Ju.
China hat je eine Dame (Gu Ruochen) und einen Herren (Cui Qinglei) der B-Kategorie am Start. Mangels Weltranglistenpunkten sind beide nicht einmal gesetzt und müssen in der heute und morgen in sieben (Herren) beziehungsweise sechs Gruppen (Damen) ausgetragenen Qualifikation ran, besitzen aber dennoch realistische Titelchancen. Besonders interessant wird das Abschneiden von Cui sei, schlägt dieser doch 2019/20 für Bundesliganeuling TTC Neu-Ulm auf.
Deutsche sind nicht am Start. Eine einzige Europäerin, die Norwegerin Ilka Doval (Juli-Weltrangliste Platz 208), ist in Nordkoreas Hauptstadt gereist – bei den Herren der Schöpfung ist aus Europa lediglich der Schotte Gavin Rumgay (WRL 162) vertreten. Das Schönste: Beide finden wir auf vorzüglichen Setzpositionen – Doval auf vier, Rumgay sogar auf drei.
Gesetzt sind zahlreiche „Fast-Nobodys“, legt man den sonst üblichen hohen internationalen Maßstab an. Bei den Herren ist der Thailänder Supanut Wisutmaythangkoon (WRL 97) topgesetzt. Ihm folgen der Nordkoreaner An Ji Song (WRL 121) und Gavin Rumgay.
Wie kurios gerade die Herren-Setzliste ist, zeigt – bei allem Respekt – besonders die Setzposition fünf. Dort finden wir den 20-jährigen Inder Mudit Dani. Als aktuelle Nummer 262 des ITTF-Rankings ist er dort positioniert. Doch dieser Platz entspricht nicht seiner Spielstärke. Dani hat in der zurückliegenden Saison beim punktlosen Regionalliga-Absteiger TTC Seligenstadt im mittleren Paarkreuz eine 3:10-Bilanz verbucht und findet sich als Nummer fünf auf der Setzliste für jenes World-Tour-Turnier. Cui Qinglei muss dagegen in die Qualifikation. Nach dem gesunden Menschenverstand passt das, ohne dem sympathischen Inder zu nahe treten zu wollen, einfach nicht zusammen, nach den internationalen Regularien aber schon.
Bei den Damen ist die Topgesetzte mit der 24-jährigen Defensivkünstlerin und aktuellen Weltranglisten-17. Kim Song-i natürlich eine richtig gute Spielerin. Auch ihre an zwei gesetzte Landsfrau Cha Hyo Sim (WRL 50) ist von gehobenem Niveau – die 25-jährige Linkshänderin ist ausgewiesene Doppel- und Mixed-Spezialistin und hat im gemischten Korea-Duo an der Seite von Jang Woojin bei den Korea Open 2018 mit dem Titelgewinn für Furore gesorgt. Dahinter finden wir außer Doval nur noch wenig bekannte Nordkoreanerinnen auf der achtköpfigen Setzliste.
In Pjöngjang werden auch U21-Wettbewerbe mit insgesamt 16 männlichen und 15 weiblichen Teilnehmern ausgetragen. Das Hauptfeld im Seniorenbereich beginnt am Freitag mit den Achtelfinals.
Einige kritische Gedanken scheinen angebracht. Was wurde nicht alles geredet über Annäherung durch den Tischtennissport – gerade in Bezug auf die beiden koreanischen Staaten. Natürlich verspürt nicht jeder Profi Lust, ins Reich des sonderbaren Diktators Kim Jong-un zu reisen. Indem man aber die 2019 Seamaster ITTF Challenge Pyongyang Open, immerhin ein World Tour Turnier, zu einer besseren Vereinsmeisterschaft mit Stammtischcharakter macht, zeigt man, dass alles nur wohlklingende Lippenbekenntnisse waren.
Pjöngjang Open auf der Webseite der ITTF
Text & Foto: Dr. Stephan Roscher