Mit Hans Wilhelm Gäb verliert der deutsche Sport einen seiner prägendsten Denker und Macher. Der am 13. April 2025 verstorbene Düsseldorfer, der als Tischtennis-Nationalspieler, Auto-Zeitungs-Gründer und Opel-Aufsichtsratschef gleich drei Karrieren meisterte, prägte über sechs Jahrzehnte hinweg den Spitzensport – getragen von einem klaren Wertekompass: „Lerne anständig zu verlieren und in Bescheidenheit zu gewinnen.“
Vom Küchentisch zur Weltbühne
Geboren am 31. März 1936 in Düsseldorf, begann Gäbs sportliche Laufbahn buchstäblich am Küchentisch. Mit Borussia Düsseldorf wurde er vierfacher Deutscher Meister im Doppel, unter anderem an der Seite von Horst Langer. Bei der Tischtennis-WM 1959 in Dortmund trat er im Nationaltrikot an; insgesamt absolvierte er 13 Länderspiele zwischen 1958 und 1961 – als Teil einer Generation, die das internationale Renommee des deutschen Tischtennissports neu begründete.
Brückenbauer zwischen Industrie und Sport
Parallel zum Sport studierte Gäb Germanistik und Jura, absolvierte eine journalistische Ausbildung und gründete 1968 eine (die) Auto Zeitung. Er stieg in die Führungsetagen der deutschen Automobilindustrie auf – zunächst als Kommunikationschef bei Ford (1973–1981), später als Vorstand und schließlich als Aufsichtsratsvorsitzender bei Opel. Sein Rücktritt im Jahr 1998, aus Protest gegen den Sparkurs von General Motors, galt als seltenes Beispiel moralisch motivierter Unternehmensführung.
Reformator mit Prinzipien
Als Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (1981–1994) setzte Gäb Reformen durch, die langfristige Wirkung entfalteten. Die sogenannte Ein-Ausländer-Regelung in der Bundesliga schuf Mitte der 1980er-Jahre feste Startplätze für deutsche Spieler – ein strukturpolitisches Signal mit sportlicher Langzeitwirkung. Unter seiner Führung entstanden unter anderem das Bundesleistungszentrum in Düsseldorf. Für die Stiftung Deutsche Sporthilfe warb er neue Förderer und prägte das Motto „Leistung. Fairplay. Miteinander.“
Engagement für Ethik und Organspende
Mitte der 1990er-Jahre erlebte Gäb eine schwerwiegende Gesundheitskrise, die er lediglich aufgrund einer Lebertransplantation überlebte. Er engagierte sich daraufhin verstärkt für Organspenden. 1998 gründete er – gemeinsam mit anderen Unterstützern – die Initiative Sportler für Organspende, 2004 folgte die Kinderhilfe Organtransplantation. Beide Organisationen setzen sich bis heute für Aufklärung und Unterstützung Betroffener ein.
Gäb galt als unbestechlicher Mahner gegen Doping und Korruption im Spitzensport. 2016 gab er den ihm verliehenen Olympischen Orden zurück – aus Protest gegen die aus seiner Sicht unzureichende Haltung des IOC in der Dopingfrage.
Auszeichnungen und Vermächtnis
Das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports und die Ehrenpräsidentschaft der Sporthilfe würdigen ein Leben, das seltene Breite und Tiefe zugleich hatte. Noch im hohen Alter war Gäb als Ratgeber geschätzt – unter anderem von Timo Boll, dem er stets zur Seite stand.
Hans Wilhelm Gäbs Lebenswerk – eine Synthese aus sportlichem Ehrgeiz, unternehmerischem Weitblick und unbestechlicher Ethik – bleibt Vorbild. Wie kein Zweiter verstand er es, Tischtennisbälle und Vorstandsbeschlüsse gleichermaßen zu platzieren. Sein Erbe: Die Erkenntnis, dass wahre Größe im Sport nicht an Medaillen, sondern an Haltung gemessen wird.