Fr., 9. Mai 2025
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POKAL DAMEN: Sensation durch Zweitligist TSV Langstadt

Endlich hat es ein Zweitligist geschafft, in die Phalanx der Erstliga-Hochkaräter bei den deutschen Pokalmeisterschaften einzubrechen. Sensationell schlug Lokalmatador Langstadt in Seligenstadt die Topklubs Kolbermoor und Böblingen und zog ins Final Four ein.

Beim gut besuchten Qualfikations-Turnier in der Sporthalle der Seligenstädter Merianschule – über 250 Zuschauer waren in der recht kleinen Halle das absolute Maximum des Möglichen – glänzten die Langstädterinnen mit den Riesen-Verstärkungen Monika Pietkiewicz und Alena Lemmer mit 3:2-Siegen über die hohen Favoritinnen aus Kolbermoor und Böblingen.

Natürlich waren die Bayerinnen nicht in Bestbesetzung angetreten, da Sabine Winter zwar anwesend war, aber nach ihrer Blinddarm-OP noch kein grünes Licht für einen Einsatz hatte, und Kristin Lang, vormals Silbereisen, zwar spielte, jedoch aufgrund ihrer Schwangerschaft im sechsten Monat gegen den TSV nur an drei aufgestellt wurde, um nur ein Einzel bestreiten zu müssen. Liu Jia war nicht eingeplant worden, vermutlich dachte man, dass es auch so reichen könne, da man Defensivkünstlerin Svetlana Ganina zwei Punkte zutraute und davon ausging, dass Kristin Lang schon für den dritten Zähler sorgen würde. Dass Toptalent Laura Tiefenbrunner aus dem Drittliga-Team etwas reißen würde, konnte man nicht zwingend einplanen. Und dass es in dieser Besetzung gegen Böblingen mit der „ewigen“ Qianhong Gotsch, die auch mit 48 Jahren noch fast jeden Ball fischt und zudem punktuell zwingend angreift, sehr, sehr eng werden würde, war aber klar. Langstadt hatten sie indes nicht wirklich auf der Rechnung.

Doch die störte die Außenseiterrolle nicht im Geringsten und legten gleich gut los mit dem letztlich ungefährdeten 3:1 der in Seligenstadt immens starken Polin Monika Pietkiewicz über Laura Tiefenbrunner. Die 34-jährige Pietkiewicz, von POLMEK Lidzbark Warminski aus der polnischen 1. Liga zum TSV gewechselt, ist zudem seit Kurzem Trainerin beim Hessischen Tischtennis-Verband und arbeitet am Olympiastützpunkt in Frankfurt mit den größten Langstädter Talenten zusammen. Die Linkshänderin könnte bei den meisten deutschen Erstligisten Stammspielerin sein, für das Unterhaus ist sie nahezu eine Bank.

Aber auch der 20-jährigen Alena Lemmer, vom TUSEM Essen nach dessen Rückzug gekommen, scheint der Wechsel zurück nach Hessen gut bekommen zu sein. Lemmer legte mit einem sensationellen 3:1 gegen Svetlana Ganina nach und hatte, taktisch klug agierend, in den Sätzen zwei bis vier das Heft sogar klar in der Hand. Kristin Lang sorgte für den Anschluss durch ein kaum gefährdetes 3:1 gegen TSV-Talent Janina Kämmerer. Pietkiewicz schien gegen Ganina die Sensation bereits perfekt machen zu können, doch die Polin konnte im fünften Satz ihren bis dahin extrem hohen Level nicht halten und musste der 39-jährigen Russin gratulieren. Lemmer ließ sich indes nicht zweimal bitten und machte die Angelegenheit durch ein 3:1 über Tiefenbrunner perfekt.

Jetzt sah es düster aus für den letztjährigen Vizemeister. Gegen den SV Böblingen, mit Qianhong Gotsch, Theresa Kraft und Julia Kaim in guter Besetzung nach Seligenstadt gereist, musste nun unbedingt gewonnen werden, und das möglichst klar, um das Final Four nicht vorzeitig abschreiben zu müssen. Doch die Hürde lag zu hoch, denn wer sollte Gotsch schlagen! Das gelang weder Ganina (1:3) noch Lang (0:3), die diesmal doch, der Not gehorchend, als Nummer eins aufgestellt wurde und mit ihrem 3:1 über Kraft auch den ersten (Pflicht-)Punkt für die SV DJK Kolbermoor unter Dach und Fach gebracht hatte. Doch dabei blieb es auch, da zwischen den beiden Gotsch-Siegen noch Keim mit Tiefenbrunner kurzen Prozess machte.

Kolbermoor war nach der 1:3-Niederlage definitiv draußen und es kam zum echten Gruppen-Endspiel zwischen Böblingen und Langstadt. Die Prognosen unter Zuschauern und Offiziellen waren eindeutig: Gotsch macht zwei Punkte und irgendeine Spielerin des mit sensationellen 13:3 Punkten zweitbesten Teams der letzten Bundesliga-Rückrunde würde schon für den dritten Zähler sorgen. Doch Prognosen waren den Langstädterinnen an jenem milden August-Sonntag in Seligenstadt schnurzpiepegal. Sie spielten einfach – und das erneut richtig gut.

Klar, „Hongi“ machte ihre beiden Punkte und gab keinen Durchgang ab, wenngleich Lemmer und Pietkiewicz gut mitspielten und dicht vor einem Satzgewinn standen. Doch die restlichen Matches hatte der krasse Außenseiter bestens im Griff. Monika Pietkiewicz ließ Julia Keim keine Chance, ebensowenig wie am Ende Alena Lemmer. Zuvor hatte Janina Kämmerer Theresa Kraft in die Schranken gewiesen, zwar enger von den Satzergebnissen her, aber auch hier mit 3:0. Um 18 Uhr war die Sensation perfekt und die Halle stand Kopf.

Langstadts Manager und Coach Manfred Kämmerer sagte nach dem von einigen Dutzend mitgereister Fans frenetisch gefeierten Turniererfolg seiner Schützlinge: „Wir haben uns natürlich nichts ausgerechnet. Wir hatten uns am Samstag getroffen und bei einem gemeinsamen Essen die Strategie für das Turnier besprochen. Uns war klar, dass wir der Außenseiter waren und nichts zu verlieren hatten. Auf den Gruppensieg konnten wir realistisch nicht hoffen. Wie sollten wir das auch gegen Bundesliga-Topteams wie Kolbermoor oder Böblingen, auch wenn wir wussten, dass Kolbermoor nicht in stärkster Besetzung antreten würde. Wir wollten einfach nur gutes Tischtennis zeigen und die Gegner etwas ärgern sowie eventuell das ein oder andere Spiel gewinnen.“

Und das ist dem Underdog aus Südhessen, der gleich sechs Matches für sich verbuchte, eindrucksvoll gelungen. Das meinte auch Kämmerer: „Es war sensationell, was unsere Mädels heute abgeliefert haben. Alle drei haben sehr, sehr gut gespielt – und wir haben ja noch mehr gute Spielerinnen, die auch dazu gehören. Wir freuen uns auf das Final Four im Januar und ich denke, dass wir uns die Teilnahme heute redlich verdient haben. Ein großes Lob geht auch an unsere Fans, die uns hier toll unterstützt haben.“ Die Spielerinnen zeigten sich überglücklich und überrascht und suchten sichtlich nach passenden Worten für die zurückliegenden Stunden. „Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir uns qualifizieren würden“, räumte Janina Kämmerer ein, während Alena Lemmer befand: „Wir haben als Team richtig gut gespielt.“ Wer wollte ihr da widersprechen!

In Langstadt ist man glücklich und zufrieden, verliert aber nicht die Bodenhaftung: „Die Bäume wachsen nun aber nicht in den Himmel, wir bleiben realistisch“, so Manfred Kämmerer. „Wir ändern nichts an unserem Saisonziel, Platz vier oder fünf in der Liga zu erreichen und diesmal nicht in Abstiegssorgen zu geraten.“

Berlin, Bingen und Bad Driburg fast mühelos ins Final Four

Die übrigen Ereignisse beim Seligenstädter Pokal-Qualifikationsturnier sind schnell erzählt, es tat sich nichts wirklich Überraschendes mehr in dem südhessischen Fachwerkstädtchen. Qualifizieren für das Final Four im Januar – der Austragungsort steht noch nicht fest – konnten sich die drei großen „B“, die turmhohen Favoritinnen aus Berlin, Bingen/Münster-Sarmsheim und Bad Driburg.

Der ttc berlin eastside, Abonnements-Triple-Sieger, setzte sich auch ohne die im Doppel-Finale der Bulgaria Open engagierte Gina Pota in Gruppe A klar durch. Lediglich Spielertrainerin Irina Palina musste beim 3:1 gegen Aufsteiger TTK Anröchte ein Match hergeben, die Abwehrspielerin zog gegen Yang Henrich den Kürzeren. Mit dem TSV Schwabhausen hatten weder Berlin (3:0) noch Anröchte (3:1) Probleme. Für Titelverteidiger eastside war das vom TTC Seligenstadt glänzend organisierte Turnier business as usual.

In Gruppe C gab Vorjahres-Finalist TTG Bingen/Münster-Sarmsheim auch ohne Wan Yuan den Ton an und gewann mit der jungen Französin Marie Migot an Position drei das „Finale“ gegen den TV Busenbach mit 3:0 deutlicher als erwartet. Zweitligist TTC Langweid war gegen beide Konkurrenten chancenlos geblieben, lediglich gegen Busenbachs 14-jähriges Nesthäkchen Anastasia Bondareva gelang ein Ehrenpunkt durch Maria Krazelova.

Und auch in Gruppe D setzte sich mit dem TuS Bad Driburg der klare Favorit durch. Dennoch fiel dessen Verantwortlichen ein Stein vom Herzen, hatte ihr Klub zuvor doch dreimal die Qualifikation für das Final Four verfehlt. Souverän wurden die 3:0-Erfolge über die Zweitligisten LTTV Leutzscher Füchse und MTV Tostedt herausgespielt. Mit Nina Mittelham, Nadine Bollmeier und Sarah de Nutte war der TuS in dieser Gruppe nicht ernsthaft in Gefahr zu bringen. Auch Schülerinnen-Nationalspielerin Sophia Klee, gerade 14 Jahre alt, durfte debütieren und gegen die Füchse den ersten Sieg im neuen Dress bejubeln. Platz zwei ging an Tostedt, das den letztjährigen Erstligisten aus Sachsen mit 3:2 bezwang – die einzige spannende Partie in dieser Gruppe.

Dass aber Langstadt beim Final Four dabei ist, ist die Sensation, die dem gesamten Turnier den Stempel aufdrückte. Darauf hatte man eigentlich seit Jahren gewartet, nämlich dass sich endlich einmal auch hier die alte Regel bewahrheitet, dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat und nicht immer nur die gewinnen, die sowieso (fast) immer gewinnen. Dem deutschen Damen-Tischtennis kann der Langstädter Coup in Seligenstadt nur gut tun.

Für uns daher das Bild des Turniers:

Alle Ergebnisse des Pokal-Qualifikationsturniers 2017

Gruppe A

Gruppe B

Gruppe C

Gruppe D

 

Text & Fotos (6): Dr. Stephan Roscher

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