Mo., 9. Juni 2025
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Wahltaktische Verzögerungen im Kampf gegen Schläger-Doping?

Timo Boll bleibt unbeugsam in seinem Feldzug gegen Schlägermanipulationen und geht erneut in die Offensive. Die Tischtennis-Ikone scheut sich nicht, den deutschen ITTF-Präsidenten Thomas Weikert in dieser Angelegenheit weiter unter Druck zu setzen.

Boll, der seit Jahren die Einführung von Schnelltests zur Erkennung manipulierter Schlägerbeläge fordert, lässt nicht locker. Der prominente Linkshänder, inzwischen wieder die Nummer sechs der Tischtennis-Welt, glaubt, dass es eine wahltaktische Verzögerung im Engagement der ITTF in dieser Sache gegeben haben könnte. Er geht erneut mit deren Präsident Thomas Weikert hart zu Gericht, der die Einführung der Schnelltests womöglich aus wahltaktischen Gründen hinausgezögert habe.

Die Zeitschrift FOCUS zitiert den 36-jährigen Ausnahme-Athleten in der aktuellen Ausgabe wie folgt: „Ich fordere solche Kontrollen bereits seit Jahren, aber vor seiner Wiederwahl wollte der Präsident dieses heiße Eisen offenbar nicht anfassen. Die Bedenken waren wohl zu groß, dass ihn dann gewisse Verbände nicht erneut gewählt hätten.“

Boll, der glaubhaft anführt, schon mit Chemikalien manipulierte Beläge von Kollegen getestet zu haben, hält deren Wirkung für drastisch: „Das Potenzial, etwa bei Beschleunigung und Winkeln, ist enorm. Im Spiel merke ich sofort, wenn einer mit einem manipulierten Schläger spielt. Manche Ballkurve ist ohne derartige Beläge gar nicht möglich.“ Das Tischtennis-Regelwerk ist fraglos auf Bolls Seite, denn dort heißt es eindeutig, dass nur Beläge „ohne irgendeine physikalische, chemische oder sonstige Behandlung verwendet werden“ dürfen.

Thomas Weikert kontert die Vorwürfe gegenüber dem Sport-Informations-Dienst (sid) leicht pikiert. „Wenn Timo meint, in die Überlegungen von 226 Mitgliedsverbänden reinschauen zu wollen, dann überlasse ich ihm gerne das Feld. Ob das die demokratische Vorgehensweise ist, weiß ich nicht“, sagte Weikert, bis März 2015 Präsident des DTTB. „Ich glaube, er ist da kein Politiker.“  Weikert führt weiter aus: „Von mir gab es keinerlei taktische Mittel vor der Wahl. Wenn ich eine Idee habe, einen Test gegen einen illegalen Boost einzuführen, dann geht das in einem demokratischen Vorgang nicht so schnell.“

Doch nun scheint es voranzugehen. „Es gibt jetzt eine Expertise, die erst Anfang Juni nach der Wahl vorlag“, so der ITTF-Chef. „Auf der nächsten Sitzung der Exekutive am 23. September in Schweden steht das Thema auf der Agenda.“

Boll, bei der Mannschafts-EM in Luxemburg (13. bis 17. September) neben Dimitrij Ovtcharov Führungsspieler der favorisierten DTTB-Auswahl, hofft, dass das jahrelange Streitthema bald zu den Akten gelegt werden kann und setzt Weikert nochmals unter Handlungszwang. „Ich glaube fest daran, dass der Tischtennis-Weltverband bald Schnelltests zur Aufdeckung von Schlägermanipulationen einführt“, so der prominente Odenwälder. „Der kürzlich wiedergewählte Tischtennispräsident hat mir in die Hand versprochen, dass er nun Schnelltests für alle Beläge einführen will, um die Täter zu überführen.“

Und Boll will noch mehr, angeregt durch T2 APAC: „Ich spiele bei der Turnierserie T2 Asia-Pacific Table Tennis mit und dort gibt es Balljungen. Dadurch wird die Nettospielzeit erhöht. Das ist eine gute Sache. Auch ist die Spieldauer auf 24 Minuten begrenzt, und der Ball muss nach 15 Sekunden wieder gespielt werden. Auch das ist nicht schlecht.“

Nun, ein Schritt in die von Boll angestrebte Richtung ist in Deutschland bereits erfolgt – ab dieser Saison sind in der TTBL bekanntlich Balljungen und Ballmädchen im Einsatz. Auch dort darf man die Sache nicht mehr hinauszögern, der Schiedsrichter bzw. Schiedsrichterassistent wirft dem aufschlagenden Spieler den Ball zu, sofern dieser ihn nicht bereits selbst aufgenommen hat, und mehr als zehn Sekunden zwischen den Ballwechseln sind nicht zulässig. Bei den ersten Bundesliga-Partien der neuen Spielzeit lief es tadellos und deutlich zügiger als bisher.


Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher

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