Erstmals in ihrer Karriere hat Han Ying das Endspiel der Grand Finals der ITTF World Tour erreicht. Dimitrij Ovtcharov dagegen ist nach einem tollen Match auf Augenhöhe gegen den Weltranglisten-Zweiten Fan Zhendong im Viertelfinale ausgeschieden.
30.000 Dollar vom insgesamt 500.000-Euro-Kuchen beim Aufeinandertreffen der Tour-Jahresbesten in Doha hat die Defensivkünstlerin mit ihrem überwältigenden Halbfinalsieg über World-Cup-Gewinnerin Miu Hirano bereits sicher. Deutschlands Weltranglisten-Achte könnte diese nette Summe durch einen Erfolg im Endspiel sogar noch verdoppeln. Dass es gegen Hirano so deutlich werden würde, hatte keiner erwartet, fast alle Beobachter waren von einem engen, umkämpften Duell ausgegangen. Doch was eine nahezu fehlerfrei agierende Han an jenem Samstag mit der 16-jährigen Japanerin machte, war schon eine Demonstration. 11:2, 11:4, 11:3, 11:5 für Han. 14 Punkte für die Weltranglisten-Elfte aus Japan, die sich anschickt, Fukuhara und Ishikawa zu „beerben“, in vier Sätzen zusammen – eigentlich unglaublich!
Im Finale trifft sie allerdings auf die Weltranglisten-Vierte Zhu Yuling, die Japans Topspielerin Kasumi Ishikawa ohne Satzverlust abfertigte – und die Chinesin ist nochmal ein anderes Kaliber und geht zweifellos favorisiert an den Tisch. Durch ihren Vorstoß ins Finale dürfte Han jedenfalls weiter Weltranglistenpunkte anhäufen und im Januar-Ranking der ITTF vermutlich Rang sieben erobern, den zurzeit noch Cheng I-Ching (Taiwan), inne hat.
Das Damen-Finale steht am Sonntag um 12.30 Uhr deutscher Zeit auf dem Programm und wird live im Internetkanal itTV des Weltverbandes ITTF übertragen.
Dima ganz nah dran
Dimitrij Ovtcharov hat zu alter Stärke zurückgefunden. So gut wie gegen Fan Zhendong, gegen den er mit 2:0 Sätzen in Front lag und um ein Haar auch den dritten Durchgang gewonnen hätte, haben wir „Dima“ im ganzen Jahr 2016 noch nicht gesehen. Beim 11:9, 12:10, 13:15, 8:11, 8:11, 7:11 lag zeitweilig sogar ein 4:0 für den Außenseiter aus Deutschland in der Luft. Lange konnte der Weltranglisten-Sechste nämlich Fan mit extrem druckvollem Spiel über die Rückhand in Schach halten, so dass dieser nur selten zum Einsatz seiner gefürchteten Vorhand kam. Nach dem Gewinn der ersten beiden Durchgänge lag Ovtcharov im dritten Satz mit 8:3 und 9:5 vorn, in vierten mit 8:5, konnte jedoch beide Sätze nicht nach Hause bringen.
Knackpunkt war in Satz drei der Ballwechsel beim Stand von 10:10, als der Chinese nach einem Topspin-Duell mit seinem letzten Schlag einen Fehler produzierte und der Plastikball in zwei Teile zersprang. Fan reklamierte, dass der Ball schon im Ballwechsel defekt gewesen sei. Statt Satzball Ovtcharov wurde der Punkt wiederholt. „Das war ärgerlich, aber darüber will ich gar nicht klagen. Ich hätte eben meine Chancen zuvor besser nutzen sollen, dann wäre es nicht soweit gekommen. Ein kleiner Trost ist, dass ich ihn sehr ernsthaft in Bedrängnis gebracht habe. Das schaffen derzeit nicht viele.“ Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf pflichtete bei: „Wäre das Spiel 4:0 für Dima ausgegangen, hätte sich Fan nicht beschweren können. Natürlich waren die beiden ersten Sätze umkämpft und offen. Aber sie gingen an Dima, der dann in den Sätzen drei und vier alle Chancen hatte, das Match für sich zu entscheiden.“ Deutschlands Nummer eins merkte allerdings noch selbstkritisch an: „Auch wenn ich bis dahin sehr stark gespielt habe, muss ich mir natürlich schon vorwerfen, meine Chancen nicht genutzt zu haben.“
Fan steht übrigens im heutigen Finale. In der Runde der besten Vier gelang dem 19-Jährigen ein 4:2-Erfolg über Xu Xin. Somit kommt es zum Finalduell zwischen den Nummern eins und zwei der Welt – Ma Long besiegte im anderen Semifinale den im gesamten Turnier richtig starken Südkoreaner Jung Youngsik mit 4:0, hatte aber in jedem Satz richtig zu kämpfen.
Hamamoto, Morizono, Muramatsu – Japanisches Bundesliga-Trio greift nach Gold
Der Grünwettersbacher TTBL-Japaner Masataka Morizono greift nach Gold im Herren-Doppel. Zusammen mit Landsmann Yuya Oshima behauptete er sich in der Runde der letzten Vier gegen Ho Kwan Kit/Tang Peng (Hongkong) in fünf Durchgängen und steht heute im Finale gegen das Korea-Duo Jung Youngsik/Lee Sangsu, das am Ende ganz knapp die Nase gegen die Russen Alexey Liventsov/Mikhail Paykov vorne hatte (4:3).
Auch im Finale des Damen-Doppels steht eine Bundesligaspielerin. Yui Hamamoto vom Triple-Gewinner ttc berlin eastside konnte an der Seite von Hina Hayata im rein japanischen Semifinale das Defensiv-Duo Honoka Hashimoto/Hitomi Sato, gegen das Shan/Solja am Donnerstag kein Land gesehen hatten, ausschalten (4:2). Die beiden treffen heute im Endspiel auf die minimal favorisierte Hongkong-Kombination Doo Hoi Kem/Lee Ho Ching, die gegen die Koreanerinnen Jeon Jihee/Yang Haeun in vier Sätzen die Oberhand behielten.
Apropos Bundesliga: Im Endspiel des U21-Wettbewerbs steht mit Yuto Muramatsu ein Ochsenhausener TTBL-Profi. Zwar musste der 19-jährige japanische Defensiv-Könner bei den Herren nach seinem grandiosen Achtelfinalsieg über „Vladi“ Samsonov im Viertelfinale gegen Xu Xin (0:4) Lehrgeld zahlen, bei den Junioren ist Muramatsu jedoch weiterhin obenauf. Die Nummer drei der Welt im U21-Bereich setzte sich im Halbfinale gegen Bad Königshofens untersetzten Japan-Star Mizuki Oikawa (U21-WRL: 15), der kommende Saison mit seinem Klub vermutlich auch in der TTBL aufschlagen wird, mit 4:1 durch – ein letztlich ungefährdeter Sieg.
Muramatsus ebenfalls 19-jährigem Ochsenhausener Kollegen Can Akkuzu aus dem Liebherr Masters College, in der 2. Bundesliga für die Passauer Fortuna aktiv, misslang hingegen der Vorstoß ins Endspiel. Der Franzose, derzeit 21. im ITTF-U21-Ranking, blieb im Halbfinale gegen Taiwans Liao Cheng-Ting beim 0:4 ohne Chance – Liao ist zwar nur die Nummer 28 der U21-Weltrangliste, dort jedoch klar unterbewertet und nach seinen Leistungen in den letzten Wochen eine Art Geheimfavorit in Doha, gegen den vermutlich selbst Muramatsu im Endspiel noch eine Schippe drauflegen muss.
Und apropos Ochsenhausen: nur wenige wissen – obwohl es jeder nahezu mühelos auf der ITTF-Seite nachschlagen könnte -, dass die TTF Liebherr Ochsenhausen derzeit die Nummern zwei, drei und vier der Welt bei den U21-Junioren stellen. Die ersten drei Verfolger des Branchenriesen Fan Zhendong sind nämlich, in dieser Reihenfolge, Hugo Calderano, Yuto Muramatsu und Jakub Dyjas. Zudem gehört auch die aktuelle Nummer neun Joao Geraldo, der im Juni sogar schon auf Platz sechs stand, dem Team des Bundesliga-Zweiten aus Oberschwaben an.
Bei den U21-Juniorinnen kassierte berlin eastside zwei Halbfinal-Niederlagen: Yui Hamamoto unterlag im Japan-Duell Hina Hayata (2:4), Miyu Kato noch knapper – trotz zweimaliger Satzführung – gegen Doo Hoi Kem (Hongkong). Folglich lautet die Final-Paarung Doo vs. Hayata, die Nummer 17 der Damen-Weltrangliste (U21-WRL: 4) trifft auf die Nummer 24 (U21-WRL: 6), das kann man schon als hochkarätig bezeichnen.
Im Gegensatz zur „normalen“ World Tour werden bei den Grand Finals alle Endspiele am Schlusstag ausgetragen, also auch die U21-Finals, während sämtliche Halbfinals bereits im Lauf des Samstags über die Bühne gingen.
ITTF World Tour Grand Finals 2016 auf der Webseite der ITTF
Fotos: ITTF (Han Ying); Dr. Stephan Roscher (Yuto Muramatsu).