„Mit jungen Spielern habe ich viel Geduld“ – Interview mit Ochsenhausens Cheftrainer Dubravko Skoric



Europas Rekordtrainer Dubravko Skoric, nicht weniger als fünfmal gewann der 53-jährige Kroate mit Charleroi die Champions League, stellte sich unseren Fragen.

Wir durften uns über interessante Antworten eines ausgewiesenen Tischtennis-Experten freuen, der nun in seine vierte Saison als Cheftrainer des oberschwäbischen Bundesligisten TTF Liebherr Ochsenhausen geht.

 

Wie fällt rückblickend Ihr Fazit der letzten Saison aus, wo lagen die Probleme?

„Es war eine schwierige Saison. Die Hauptgründe dafür waren, dass Ryu nicht mehr auf dem hohen Level wie in der Vorsaison spielte, dass sich Neuzugang Simon Gauzy erst ins Team und die Liga hineinfinden musste sowie natürlich die lange Verletzungspause von Kirill Skachkov.“

Weshalb hat es im ETTU-Cup nicht zum Titel gereicht?

„Mit entscheidend war, dass Ryus Spiel inzwischen in der Bundesliga bekannt war und recht viele Gegner wussten, wie sie gegen ihn zu spielen hatten. Als Tokic ihn im Auftaktmatch in Biberach geschlagen hatte, wurde es sehr schwierig für uns. Und nach dem 0:3 im Hinspiel war die Entscheidung eigentlich schon gegen uns gefallen.“

Aus welchen Gründen fiel die Entscheidung, mit Hugo Calderano einen sehr jungen Spieler zu verpflichten und keinen „alten Hasen“ mit großem Namen?

„Der Verein hat die vernünftige strategische Entscheidung getroffen, dass es der bessere Weg ist, in junge Spieler zu investieren und in Hinblick auf die Resultate geduldig mit ihnen zu sein. Außerdem: selbst wenn wir den besten verfügbaren Spieler auf dem internationalen Markt verpflichtet hätten, wäre auch das keine Garantie, einen Titel zu gewinnen.“

Welches Potenzial hat Hugo, wie weit kann er kommen?

„Wenn Hugo nicht die Qualität hätte, dass er sich zum Topspieler entwickeln kann, hätten wir ihn nicht unter Vertrag genommen. Natürlich muss er sich erst einmal richtig akklimatisieren, um genau zu verstehen, was die Aufgabe in Ochsenhausen beinhaltet und wie die Anforderungen an ihn sind. Mental ist er nach meinen Eindrücken schon erstaunlich stabil, dennoch benötigt er wie alle junge Spieler schlicht und einfach Zeit und muss seine Erfahrungen sammeln.“

Die TTF stellen 2014/15 das jüngste Team der Bundesliga. Können so junge Spieler überhaupt mit außerplanmäßigem Stress umgehen? Wird man sehr viel Geduld mit ihnen brauchen?

„Natürlich braucht man viel Geduld. Aber gerade mit jungen Spielern habe ich viel Geduld und lasse ihnen die nötige Zeit. In der Vergangenheit hatten wir auch einige Niederlagen-Serien mit erfahreneren Spielern, das kann also immer passieren. Und es war immer schwierig, das mental in den Griff zu bekommen. Deshalb glaube ich nicht, dass das nur für junge Spieler ein Problem ist.“

Reichen vier Spieler überhaupt aus? 2013/14 hätte man sich sicher eher fünf gewünscht.

„Vier ist definitiv die richtige Anzahl, zumal wir diese Saison keine Champions League spielen. Die letzte Saison war deshalb so schwierig, weil wir ECL, ETTU-Cup, Ligapokal und natürlich Bundesliga gespielt haben – und das eben lange, aufgrund von Kirills Verletzung, mit nur drei Spielern.“

Wie stark schätzen sie die TTBL in dieser Saison ein?

„Ohne den einzelnen Klubs zu nahe zu treten oder irgendwen abzuwerten, meine ich, dass die Liga einen Tick schwächer geworden ist im Vergleich zur Saison 2013/14.“

Braucht die Mannschaft einen „Leader“ und wer könnte das gegebenenfalls sein?

„Das hängt natürlich mit dem Charakter, aber auch mit den Leistungen zusammen. Ein Spieler, der leistungsmäßig überzeugt, erhält damit automatisch eine Art Führungsfunktion im Team. Mannschaften mit einem oder sogar zwei Spielern mit hoch positiven Ergebnissen besitzen gute Chancen auf die Play-offs. Warten wir ab, was sich ergibt und herauskristallisiert.“

Wird es künftig so sein, dass nur noch talentierte junge Spieler über das Liebherr Masters College die Chance erhalten, in die Bundesligamannschaft der TTF zu gelangen?

„Absolut! Genau das war unser Ziel von Anfang an und wir stehen alle voll hinter diesem Projekt.“

Genießen Sie die Arbeit als Cheftrainer der TTF, auch wenn es sicher nicht immer einfach ist? Was ist das Besondere in Ochsenhausen?

„Ochsenhausen ist einer von sehr wenigen Vereinen im weltweiten Profitischtennis, die ihre voller Kraft in die Arbeit mit jungen Spielern investieren. Hier hat man ein klares Konzept, das auf die Zukunft ausgerichtet ist, und setzt nicht auf kurzfristige Erfolge mit „fertigen“ Vollprofis, die vielleicht längst ihren Zenit überschritten haben. Die Ausbildung und Entwicklung der jungen, talentierten Spieler steht in Ochsenhausen im Vordergrund. Und wir verfolgen dabei im Klub und im College ein ganz ehrgeiziges Ziel, wir arbeiten nämlich gezielt daran, den immensen Qualitätsunterschied zwischen Asien – speziell den Chinesen – und Europa zu verringern. Das ist ein tolles, zukunftsweisendes Projekt und es macht Spaß, daran mitzuwirken. Außerdem macht mir die Arbeit mit jungen Spielern, die großes Potenzial besitzen, besonders viel Freude.“