TTBL: Matthias Landfried – „Ich bin Trainer und kein Wunderheiler!“



Was für ein Bundesliga-Endspurt! Mehr als die Hälfte der Vereine in der TTBL haben momentan die drei nervenaufreibensten und stressigsten Wochen der gesamten Saison.

Sowohl im Playoffkampf, als auch im Abstiegskampf, geht es aktuell um alles oder nichts. Selbst der aktuelle Deutsche Meister Werder Bremen ist noch nicht sicher für die Playoffs qualifiziert, die Champions League in Gefahr. Wir können von der vermutlich spannendsten Bundesliga-Spielrunde der letzten 10 Jahre sprechen.

Mitten drin ist Matthias Landfried, Cheftrainer und Manager vom SV Plüderhausen, dessen Team von massiven Personalproblemen geplagt ist, was in diesem Ausmaß sicherlich einmalig ist. Zwei Journalisten hatten die Gelegenheit, mit dem 39-jährigen aus dem Stuttgarter Vorort Wendlingen, über mehrere Tage in Etappen ein Interview zu führen.

Herr Landfried, können Sie in dieser Stressphase abschalten oder haben Sie momentan schlaflose Nächte? Können Sie momentan überhaupt an etwas anderes denken, als an diesen dramatischen Bundesliga-Endspurt?  

Matthias Landfried: „Es versteht sich von selbst, dass das momentan wahnsinnig stressig ist, aber das reiht sich bei mir aktuell nahtlos in die allgemein stressigste Phase meines Lebens ein. Schlaflose Nächte habe ich zur Zeit tatsächlich, aber nicht vor Sorge rund um die Bundesligatabelle, denn ändern kann ich an dieser Situation momentan wegen höherer Gewalt sowieso nichts, sondern aufgrund anderer aktueller Geschehnisse, bei denen ich nicht sagen kann ‚Geht jetzt nicht! Meldet Euch mal wieder Mitte April!‘. Wie so oft in meinem seitherigen Leben, muss ich in enormen Stressphasen die Nerven behalten und verschiedene Projekte, Dinge und Tätigkeiten zeitlich unter einen Hut bringen.“

Wie beurteilen Sie den Saisonverlauf und ist dieser für Sie als eigentlich erfolgsverwöhnten Trainer nicht eine große Enttäuschung?

Matthias Landfried: „Ich habe in über einem Jahrzehnt mit Würzburg, Saarbrücken und Zagreb viele nationale und internationale Titel gewonnen, aber mir war schon bewusst, dass meine Mission in Plüderhausen diese sein wird, ein eigentlich untergehendes Schiff zu retten. Ich bin allerdings Trainer und kein Wunderheiler. Was nicht machbar ist, das geht eben einfach nicht. In dieser Saison hatten wir wahnsinnig viel Pech, vor allem mit Verletzungen. Aus diesen und anderen Gründen konnten wir in mittlerweile 16 Bundesliga- und Pokalspielen gerade ein einziges Mal (!) in stärkster Aufstellung antreten. Da muss man sich dann auch nicht wundern, dass wir im Abstiegskampf stecken. Wenn dann noch hinzu kommt, dass die Konkurrenten im Abstiegskampf teils kuriose Überraschungen schaffen, z.B. die Siege von Mühlhausen gegen den Deutschen Meister Werder Bremen oder von Hagen u.a. gegen den Rekordmeister und aktuellen Pokalsieger Borussia Düsseldorf, dann stehen wir eben in der Tabelle da wo wir jetzt stehen. Zaubern kann ich nicht.“

Sie sprechen von höherer Gewalt? Wo sehen Sie die Ursachen für den unbefriedigenden Saisonverlauf und die Probleme?

Matthias Landfried: „Die Gründe liegen auf der Hand. Als wir Ende Mai die Hiobsbotschaft bekamen, dass ein Einsatz unserer eigentlichen Nummer 1 Aleksandar Karakasevic  – der nicht weg gewechselt ist, sondern weiterhin zum SVP gehörte – aufgrund der schwierig verlaufenden Heilung seines Achillessehnenrisses mit Wundinfektion, undenkbar ist, benötigten wir dringenst Ersatz. Aufgrund seiner langjährigen Verdienste um den SVP haben wir bis zuletzt an „Kara“ festgehalten und wollten ihn nicht fallen lassen, aber irgendwann stand fest, dass er nicht spielen können wird. Zu diesem Zeitpunkt war der Spielermarkt fast leer und lediglich Adrien Mattenet, der 2012 noch die Nummer 19 der Weltrangliste war, kam in Frage.
Mattenet war aber nur bereit, für eine sehr reduzierte Anzahl von Einsätzen zu unterschreiben, die eng mit seinen Verpflichtungen für die französische Nationalmannschaft abgestimmt werden müssen. Wenn dann aber auch noch hinzu kommt, dass zwei Spieler längere Zeit ausfallen, die zur Stammbesetzung der Mannschaft gehörten, dann wird es plötzlich mehr als schwierig. Andrew Baggaley hat sich beim Einsatz für die englische Nationalmannschaft bei den German Open 2013 im November verletzt und ist drei Monate ausgefallen, während sich Bai Fengtian beim Training mit der französischen Nationalmannschaft im Dezember verletzt hat und zwei Monate lang nicht eingesetzt werden konnte. Das ist brutal und dann stellt sich das verbliebene Team praktisch von selber auf. Solche Ausfälle kann keine Dreiermannschaft verkraften, das bekam in den vergangenen Jahren sogar der Rekordmeister Borussia Düsseldorf zu spüren, die aufgrund von Verletzungen teilweise Titel verloren haben. Was mit einer Mannschaft wie Ochsenhausen passiert, wenn nur ein einziger Spieler ausfällt, wie Kirill Skachkov, das sieht man diese Saison. Wäre Ochsenhausen dazu auch noch ein Ryu Seung Min oder einer der beiden jungen Spieler für 2-3 Monate ausgefallen, dann wage ich mal zu behaupten, dass sie dann auch plötzlich gegen den Abstieg hätten spielen müssen. Vor der Saison haben noch einige gescherzt, warum wir denn fünf Profispieler verpflichtet hätten, denn in der Bundesliga wird ja nur mit Dreierteams gespielt. Zwischendurch wären wir froh gewesen, wenn wir noch auf einen sechsten oder gar siebten Profi zurück greifen hätten können. Aber man kann einfach nicht alle Eventualitäten einplanen und wir sind auch nicht der FC Bayern München, die jede Position doppelt und dreifach absichern können. Dass sich zwei Spieler gleichzeitig verletzten und genau dann der Spitzenspieler nicht verfügbar ist, das kann man einfach nicht vorher planen. Dann wird schlagartig Trinko Keen zum permanent gesetzten Stammspieler und es ging so weit, dass wir in fünf Fällen in der TTBL und nochmals im Pokal sogar Amateurspieler aus der zweiten Mannschaft einsetzen mussten.
Ändern hätte man da auch nichts können. Wenn Spieler nachweislich verletzt sind und ärztliche Atteste und Krankenhaus-Behandlungsprotokolle vorliegen, dann kann man diese Spieler logischerweise nicht einsetzen. Ich kann den Spielern dann auch nicht die Hand auflegen und sie werden über Nacht wieder gesund. Wie gesagt, ich bin Trainer und kein Wunderheiler! Da sind einem die Hände gebunden. Wenn wir etwas anders machen könnten, dann wäre das schon geschehen, aber wir können eben auch nicht zaubern. Auf der einen Seite gibt es die Verletzungsprobleme, auf der anderen Seite stehen die vertraglich vereinbarten Freiheiten von Adrien Mattenet. Wir sind ja nicht blöd und wollen Mattenet ausgerechnet gegen Werder Bremen, den TTC matec Frickenhausen und zweimal gegen Borussia Düsseldorf einsetzen. Wenn wir es alleine festlegen könnten, dann wäre er natürlich gegen die direkte Konkurrenz in den Abstiegsduellen eingesetzt worden. Adrien Mattenet war damals kurz vor Wechselschluss die einzige Option, als endgültig klar war, dass Karakasevic noch viel länger ausfallen wird als ursprünglich kalkuliert, da kein anderer starker Europäer noch frei gewesen ist und da er auch nicht unbedingt in einem Club spielen wollte, konnte man ihn eben nur unter diesen eindeutigen Bedingungen verpflichten.
Wenn wir sechsmal mit Adrien Mattenet, Kim Jung Hoon und Bai Fengtian gegen Grenzau, Hagen und Mühlhausen aufgelaufen wären, dann will ich mal die Tabelle sehen, wo wir dann stehen. In diesen sechs Spielen machen wir Minimum acht Punkte, dazu kommen noch die vier Punkte gegen Frickenhausen und Ochsenhausen hinzu, dann stehen wir mit mindestens 12 Punkten in der Tabelle und haben mit dem Abstiegskampf überhaupt nichts zu tun und zwar selbst dann nicht, wenn wir in allen anderen Partien unsere schwächste Besetzung aufgestellt hätten. Das war diese Saison einfach zu viel, das verkraftet ein Team irgendwann nicht mehr. Dermaßen viel Unglück und diese enormen Verletzungsprobleme, das wäre schon schlimm genug, aber wenn dann auch noch die Konkurrenz aus Hagen und Mühlhausen Überraschungen und teils sogar Sensationen schafft, dann steht man plötzlich hinten drin.
Dann wächst natürlich auf der eigenen Seite der Druck und ohne unsere beiden Spitzenspieler muss dann Bai Fengtian als Nummer 1 an den Tisch und weiß, dass er unbedingt gewinnen muss, da wir sonst kaum eine Chance auf einen Sieg haben. Das ist was anderes, als wenn er hinter einem Mattenet und Kim Jung Hoon als Nummer 3 spielen kann. Da spielen irgendwann die Nerven verrückt, das Umfeld wird nervös und die Zuschauer unruhig, vom Druck aus der lokalen Presse nicht zu sprechen, wo man dann auch ab und an Prügel bezieht. So etwas muss ich bestmöglich von den Spielern fernhalten und sie abschirmen, damit sie sich auf ihren Job konzentrieren können. Da ist es manchmal auch besser, die Halle durch den Hintereingang zu betreten, statt zum Haupteingang rein zu laufen und als Spieler 20 Mal – aufmunternd gemeint – auf die Schulter geklopft zu bekommen, mit den Worten ‚Viel Glück, ist wichtig heute! Heute müssen wir unbedingt gewinnen‘. Das ist gut gemeint, aber macht die Sache nicht besser.“

Am vergangenen Sonntag hatten Sie beim Auswärtsspiel gegen den 1. FC Saarbrücken wieder nur zwei einsatzfähige Profis zur Verfügung und erneut musste ein Amateurspieler ran. Dafür hat sich Ihr Team sehr achtbar aus der Affäre gezogen, aber planmäßig war das sicherlich auch nicht?

Matthias Landfried: „Natürlich nicht. Das ist so ein Fall von ‚höherer Gewalt‘, den ich eben angesprochen habe. Wir waren froh, immerhin drei einsatzfähige Profis zu haben, doch die Seifenblase platzte keine 48 Stunden vor Spielbeginn. Aufgrund einer lebensbedrohlichen Situation im engsten familiären Umfeld von Andrew Baggaley, konnte dieser nicht gegen Saarbrücken mitspielen, sondern verbrachte das Wochenende im Kreis der Familie in England. Wir sind in Gedanken bei Andrew und wünschen ihm und seiner Familie alles Gute, diese schwierige Situation so gut wie möglich zu überstehen. Für uns bedeutete dies aber, dass wir gegen Saarbrücken nicht nur ohne Nummer 1 und 2 antraten, sondern auch ohne Nummer 4. Wir haben das beste daraus gemacht, das Ziel war, mit unserer Nummer 3, 5 und 6 wenigstens einen Punkt aus dem Saarland zu entführen. Dies gelang uns und dieser Punkt kann in der Endabrechnung vielleicht ganz wichtig sein, wenn es auch auf das Spielverhältnis ankommen könnte.“

Wenn es jetzt Schlag auf Schlag geht und im Wochentakt ein wichtiges Spiel das andere jagt, kann man vermutlich gar nicht mehr viel ändern. Aber wie ist die Situation, wenn einmal zwei bis drei Wochen Spielpause ist, wie kann man solche Unterbrechungen nutzen?

Matthias Landfried: „Man ist in Pausen immer davon abhängig, welche nationalen oder internationalen Turniere anstehen. Teilweise sind dann Spieler auf der ITTF World Tour oder beim DHS Europe Cup oder eben wie jetzt kürzlich bei den nationalen Meisterschaften, die ja nicht nur in Deutschland stattfinden, sondern eben auch in Frankreich oder England und anderen Nationen. Man hat oft nur wenig Zeit, mit den Spielern vor den Bundesligapartien zu arbeiten und wir haben selten eine ganze Woche zusammen, sondern oft nur drei Tage oder im schlimmsten Fall auch mal nur einen Tag. Aber das geht den Gegnern nicht anders. Werder Bremen ist zu unserem letzten Heimspiel samstags mit nur zwei Spielern angereist, während Chuang und Crisan zur selben Zeit noch in Doha bei den Qatar Open gespielt haben. Da reiste Crisan sogar erst am Spieltag selber an. Das ist auch ein Grund, warum wir mit dem Abschneiden gegen Bremen wirklich unzufrieden waren. Wir bekamen wie in der Vorrunde gegen Düsseldorf, die Chance gegen einen weiteren Topverein punkten zu können, da Bremen kurzfristig auf Chuang verzichten musste und ein völlig übermüdeter Crisan zusammen mit Cioti und Drinkhall gespielt hat. So Chancen muss man dann eben auch irgendwann mal nutzen.“

Ist das Klima jetzt innerhalb des Teams etwas angespannt oder können da alle noch eine gewisse Lockerheit behalten?

Matthias Landfried: „Die Stimmung im Team untereinander ist gut, allerdings ist sich jeder über die enorme Drucksituation bewusst, da wir jetzt drei Abstiegsendspiele haben, da ist klar, dass wir nicht in Partylaune sind.“

Sie denken also, dass Sie bis zum letzten Spieltag zittern müssen und es zu echten Abstiegsendspielen kommt?

Matthias Landfried: „Damit ist zu rechnen. Allerdings spielen am nächsten Spieltag Hagen und Mühlhausen auch noch beide gegeneinander. Dieses Ergebnis ist für uns auch von elementarer Bedeutung.
Wenn alles „planmäßig“ läuft, dann kommt es für uns tatsächlich zu zwei echten Abstiegsendspielen an den beiden letzten Spieltagen in Hagen und daheim bei uns gegen Mühlhausen. Wir müssen jetzt einfach darauf hoffen, dass wir auch mal etwas Glück haben und dann ist die Situation nach wie vor so, dass wir es immer noch selber in der Hand haben und den Klassenerhalt  aus eigener Kraft schaffen können.
Wir spielen erst noch gegen Grenzau, vielleicht schaffen ja doch auch mal wir eine Überraschung und dann geht es eben gegen Hagen und Mühlhausen um alles oder nichts. Aber das muss ich in dieser Deutlichkeit auch mal klar stellen: Pech und Verletzungssorgen hin oder her, wenn man es jedoch in einer kompletten Saison nicht hinbekommt, in direkten Duellen gegen die anderen Abstiegskandidaten vier Punkte zu holen, dann hat man es eben letzten Endes auch nicht verdient, den Klassenerhalt in der Bundesliga zu schaffen. Wir konnten Kim Jung Hoon zum letzten Mal Mitte Januar einsetzen, als er gegen Ochsenhausen beide Einzel gewonnen hat. Er wird in Kürze wieder einsatzfähig sein und dann hoffen wir, dass alle wenigstens in der Endphase der Saison gesund bleiben, dann können wir es noch schaffen. Wenn jetzt noch einmal etwas passieren sollte und ein weiterer Spieler ausfällt, dann ist es wirklich so, dass, falls es einen Tischtennisgott gibt, er uns diese Saison verlassen hat.“

Letztendlich haben Sie für die kommende Saison keinerlei Planungssicherheit. Liegt damit aktuell alles auf Eis, bis der Klassenerhalt geklärt ist?

Matthias Landfried: „Jein. Ganz auf Eis liegen kann so etwas natürlich nicht, wenn man vor hat, im Erfolgsfall weiter in der TTBL zu spielen, alleine schon deshalb, weil man Fristen und Termine bei der Lizenzierung einhalten muss. Der SV Plüderhausen hat sich auf jeden Fall fristgerecht um eine Lizenz für die Saison 2013/2014 in der 1. Liga beworben. Alles andere ist allerdings natürlich schwierig bis unmöglich. Natürlich kann man manche Dinge vorplanen und zumindest einmal abklären, ob denn z.B. der Sponsor XY im Falle eines Klassenerhaltes wieder zur Verfügung stehen würde. Manche sagen aber auch, dass sie sich erst dann darüber Gedanken machen, wenn wir den Klassenerhalt geschafft haben. Das macht die Lage nicht einfacher. Einiges liegt natürlich auch komplett auf Eis und wird auch später selbst im Erfolgsfall Probleme bereiten. Zum Beispiel können wir aktuell keine Verträge mit Spielern für die kommende Saison machen. Eventuell steht erst am letzten Spieltag am 6. April nach unserem Heimspiel gegen Mühlhausen fest, ob wir die Klasse halten und dann haben wir wieder mal das Problem, dass dann der Spielermarkt schon leer ist und wir erneut sehr viel Geschick beweisen müssen, aber auch wieder auf das nötige Glück hoffen müssen. Und wenn wir es sportlich schaffen sollten, dann haben wir nach wie vor das Problem, dass uns ein Hauptsponsor fehlt. Wir sind keine Abteilung eines Profi-Fußballclubs wie bei Werder Bremen und wir haben weder ARAG wie bei Borussia Düsseldorf, noch LIEBHERR wie bei den TT-Freunden aus Ochsenhausen, sondern müssen permanent kämpfen. Da hilft uns auch nicht die ruhmreiche Vergangenheit als dreifacher Europapokalsieger und Deutscher Pokalsieger nicht viel weiter. Es ist also eindeutig so, dass es eine sehr schwierige Situation ist und uns in einigen Bereichen die Hände gebunden sind.“

Nachdem es letzte Saison eigentlich schon 5 nach 12 war und der Rückzug schon in der Presse kursierte, wurde vom SV Plüderhausen jetzt vor Saisonbeginn kommuniziert, dass der SVP gerne weiterhin und langfristig in der TTBL spielen möchte und wieder an frühere Erfolge anknüpfen will. Aber auch, dass man im Falle eines Scheiterns der Rettungsmission, sich mit Anstand aus der Bundesliga verabschieden wird. Besteht nun genau diese Gefahr?

Matthias Landfried: „Definitiv. Wenn wir es in diesem Seuchenjahr nicht schaffen sollten, den Abstiegsplatz zu verlassen, dann war es das – endgültig. Dann ist das eigentlich schon letzte Saison beendete Kapitel Bundesliga in Plüderhausen leider nur um ein einziges Jahr verlängert worden, aber mehr ging dann eben auch nicht. Die SVP-Urgesteine Geritt Albrecht und Uli Engele haben beide auch schon mehrfach gesagt, dass sie so viel Pech in 15 Jahren Bundesliga noch nie hatten und sie bis zum Zeitpunkt der schweren Verletzung von Aleksandar Karakasevic eigentlich immer von Verletzungsproblemen verschont geblieben sind, aber dass es dafür diese Saison wie eine Lawine gekommen ist. Das Jahr 1 nach „King Kara“ könnte damit tatsächlich auch das letzte gewesen sein. Auch ich selber habe so etwas in meinen mittlerweile 12 Jahren als Bundesligatrainer noch nie erlebt, dass so viel zusammen kommt, wie diese Saison in Plüderhausen. Ich bin in vollem Bewusstsein dessen, zum SVP gewechselt, dass es sehr schwer bis fast unmöglich sein wird, das sinkende Schiff nochmal flott zu machen und zu retten, aber das war eben auch die Herausforderung, die mich gereizt hat. Aber dass dann zur ohnehin äußerst schwierigen Situation, dann auch noch so unglückliche Umstände hinzukommen, wie diese massiven Personalprobleme, hauptsächlich begründet auf den Verletzungen der verschiedenen Spieler, das macht das Ganze dann schon zu einer echten „Mission Impossible“. Jetzt hoffen wir einfach mal, dass es wie in den gleichnamigen Kinofilmen auch zu einem Happyend kommen wird.“

Mal abgesehen von den eklatanten Verletzungssorgen, wie beurteilen Sie Ihre Spieler über die Saison gesehen bei ihren – teils notgedrungen wenigen – Einsätzen?

Matthias Landfried: „So etwas mache ich eigentlich lieber intern. Meine Spieler wissen, wie ich die jeweilige Situation und Entwicklung bewerte. Jeder Spieler hat auch einen kleinen Maßnahmenkatalog, selbst wenn sie bei der Nationalmannschaft sind, an was permanent gearbeitet werden muss. Das kann das Verhalten in bestimmten Aufschlag-Rückschlag-Situationen sein oder die Distanz zum Tisch und andere Dinge, die mir im Laufe der Zeit aufgefallen sind. Ich möchte auch meine Spieler nicht öffentlich kritisieren, es gibt jeder sein Bestes und jeder versucht alles, um zu gewinnen. Es reicht eben einfach momentan nicht zu mehr als den vier Punkten, die wir momentan auf dem Konto haben. Aber natürlich kann ich schon zu jedem unserer Spieler etwas sagen: Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass wir uns mehr von Adrien Mattenet erwartet haben, genauso wie er auch von sich selber. Mit einer 1:6 Bilanz kann er und der Verein einfach auch nicht zufrieden sein. Wir haben viele Dinge besprochen, an einigen Bereichen gearbeitet und ich denke, dass auch manches besser geworden ist, insbesondere im Vergleich zu seinen beiden wirklich katastrophalen Auftritten gegen Patrick Franziska auf der World Tour im Juni bei den Japan und China Open und seinem Level jetzt Anfang 2014.
Beim DHS Europe Cup kürzlich ist er ins Halbfinale gekommen und er hat gegen Gacina und Apolonia klar gewonnen und gegen Dimitrij Ovtcharov beim Stand von 2:2 die beiden folgenden Sätze mit 16:18 und 10:12 verloren. Adrien wird zwischen dieser und nächster Saison ein Vierteljahr völlig abgeschirmt in China trainieren und er wird in der kommenden Spielzeit in Saarbrücken regelmäßig spielen, deshalb denke ich, dass er dann wesentlich erfolgreicher spielen wird und er sich auch international wieder stabilisieren wird, wo er in der Weltrangliste im Vergleich von Anfang 2012 auf Platz 19 zu Anfang 2013 nur noch auf Platz 54 stand. Es geht schon jetzt wieder nach oben, aktuell steht er auf Platz 45 und es wird sicherlich wieder die Zeit kommen, in der er wieder in die Top-30 der Welt eindringen wird. Kim Jung Hoon spielt ordentlich, er kann aber noch etwas mehr. Wenn er im restlichen Saisonverlauf solide spielt, dann wird er eine ähnliche Bilanz haben, wie er sie auch in den beiden Jahren zuvor in Herne gespielt hatte.
Kim hat aber auch so schon die beste Bilanz unserer Spieler gespielt und ist in der Rückrunde zur neuen Nummer 1 aufgestiegen.
Von ihm erhoffe ich mir Führungsqualitäten in den kommenden Spielen. Er kennt die Situation unter Druck zu stehen, mit dem TTC Ruhrstadt Herne hatte er genauso Abstiegskampf und vor allem in seiner Zeit bei UMMC Ekaterinburg in der russischen Liga musste er einer enormen Erwartungshaltung gerecht werden. Von Bai Fengtian haben einige mehr erwartet und er hat 2012 auch noch teilweise sehr stark gespielt, aber man darf nicht vergessen, dass er jetzt 38 Jahre alt ist und er jetzt nach 10 Jahren im französischen Hennebont den Verein gewechselt hat. Wenn sich nach einem Jahrzehnt plötzlich alles ändert, Wohnort, Land, Verein, Mannschaft, Umfeld, Trainingsumgebung, einfach alles ist anders im Vergleich zu den zehn Jahren zuvor, dann kann auch ein Mann wie Bai Fengtian Eingewöhnungsprobleme haben.
Und man darf auch nicht denken, dass er ja aber schon mal in Plüderhausen gespielt hat. Ja, aber das war vor 11 Jahren!
Er war oft verunsichert, ihm fehlte das Selbstvertrauen und dann verliert man Spiele. Um Spiele zu gewinnen, braucht man aber Selbstvertrauen – ein Teufelskreis.
Aufgrund der Personalprobleme hatte er dann auch plötzlich Druck, den ihm zwar keiner gemacht hat, aber den er natürlich trotzdem gespürt hat und auch sich selber gemacht hat. Und dann hat er sich auch noch verletzt und ist zwei Monate ausgefallen und muss jetzt erst wieder richtig reinkommen. Gegen Bremen hatte er sein erstes Spiel nach der langen Pause und man merkte ihm auch noch gegen Saarbrücken an, dass er noch weit von seiner Normalform entfernt ist und er entsprechend unsicher agiert hat. Andrew Baggaley hatte diese Saison einen tollen Eindruck hinterlassen. Wir haben über mehrere Wochen im Trainingslager, der Saisonvorbereitung und der Zeit zwischen den beiden ersten Saisonspielen super gearbeitet. Er hat auch direkt Steffen Mengel besiegt und gegen Patrick Franziska ein riesen Spiel gemacht und erst im Entscheidungssatz verloren. Seine beiden anderen Einsätze gegen Bastian Steger und Timo Boll waren auch in Ordnung, das sind Spiele die er normalerweise nicht gewinnen kann. Das war alles in allem zufriedenstellend. Aber der verletzungsbedingte Ausfall von einem Vierteljahr hat ihn enorm zurück geworfen.
Dazu kommt jetzt noch die tragische Situation in seinem engsten Familienumfeld, die ihn stark belastet und an einen freien Kopf für den Abstiegskampf nicht denken lässt. Es ist schon Wahnsinn, was wir diese Saison Pech haben. Trinko Keen, was soll ich sagen… Der Mann ist eine absolute Kultfigur. Er ist für uns unendlich wichtig, wir profitieren alle durch seine Erfahrung. Die anderen Spieler hören ihm aufmerksam beim Mannschaftsessen und nach dem Training zu, ich selber bin schon stundenlang mit ihm zusammen gesessen und habe hochinteressiert gelauscht, was er mir über Tischtennis, Feinheiten und das Drumherum erzählt hat, ich habe auch schon einiges von ihm lernen können und kann dadurch meine Arbeit als Trainer permanent weiter verbessern.
Man darf einfach nicht vergessen, Trinko wird dieses Jahr 43 Jahre alt, er war früher die Nummer 18 der Weltrangliste, war mehrfacher Olympiateilnehmer, hat 12 Weltmeisterschaften mitgespielt, war mehrfacher Medaillengewinner bei Europameisterschaften im Einzel und Doppel und er spielt jetzt bereits seit 20 Jahren in der Bundesliga und hat so viele Vereine, Funktionäre, Spieler, Trainer und Situationen erlebt, egal ob bei Borussia Düsseldorf, Werder Bremen, in Jülich, Grenzau, Plüderhausen oder sonstwo. Der Mann hat schon alles erlebt, er wurde nicht ohne Grund schon der einzig wahre „Mister Bundesliga“ genannt. Wenn jemand wirklich was erzählen kann, was Hand und Fuß hat, dann Trinko Keen!
Dazu ist er Publikumsliebling, Stimmungskanone, mit Andrew Baggaley zusammen mit Gitarre und Mikrofon ausgestattet unsere Teamband, wichtigstes Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainerteam und Funktionären und in jeder Situation der ruhende Pol in unserer Mannschaft und Fels in der Brandung.
Von Trinko erwarte ich mir am meisten im Abstiegskampf und damit meine ich nicht unbedingt Punkte, obwohl er mit Siegen gegen Süss, Cioti, Pavelka und Gauzy eindeutig dokumentiert hat, dass er noch vielen Spielern in der Liga gefährlich werden kann, was z.B. auch Ruwen Filus bei seinem Arbeitssieg im Entscheidungssatz gespürt hat und auch Bastian Steger musste am Wochenende hart kämpfen.
Es geht jetzt vor allem darum, die Nerven zu behalten und im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen, dazu braucht man einen Führungsspieler wie Trinko Keen.“

Vielen Dank für das Interview.