Underdog Langstadt freut sich auf Pokal-Showdown in Hannover



Am Sonntag steigt das Pokal Final Four der Damen in Hannover (Swiss Life Hall, Ferdinand-Wilhelm-Fricke-Weg 8). Mit dabei ist der TSV Langstadt, der erste Zweitligist, der es in der Geschichte des nationalen Damen-Pokal-Wettbewerbs ins Halbfinale geschafft hat.

Beim Qualifikationsturnier in Seligenstadt am 20. August 2017 hatte Langstadt sensationell die Erstligisten Kolbermoor und Böblingen ausgeschaltet. Damit hat der TSV Tischtennisgeschichte geschrieben und den bisher größten Erfolg der Vereinsgeschichte verbucht. Nun gilt es, sich in der erlauchten Runde von Hannover – neben Langstadt sind Triple-Sieger Berlin, dessen großer Meisterschaftsrivale Bingen/Münster-Sarmsheim und Bad Driburg vertreten – achtbar zu schlagen.  

An einen Pokalsieg ist realistisch nicht zu denken, auch das Endspiel dürfte kaum zu erreichen sein. Sicher hätte man im Normalfall eine kleine Außenseiterchance besessen, die Vorschlussrunde gegen den auf dem Papier noch am ehesten zu packenden Gegner TuS Bad Driburg zu überstehen, zumal der Tabellenvierte des Oberhauses ohne seine erfahrenste Spielerin Nadine Bollmeier auskommen muss – die ehemalige deutsche Nationalspielerin pausiert zurzeit wegen ihrer Schwangerschaft. Doch auch bei Langstadt wird die wichtigste Spielerin fehlen. Die international erfahrene Polin Monika Pietkiewicz, der gerade bei einem solch hochkarätigen Turnier automatisch die Rolle der Führungsspielerin zugefallen wäre, kann nicht dabei sein, da sie aus privaten Gründen in ihre Heimat gereist ist. 

So wird der „Underdog“, der vielleicht in der kommenden Saison nur noch Gegnerinnen dieses Kalibers haben wird – der Aufstieg ist bekanntlich ein seriöses Thema in Langstadt –, das Trio Alena Lemmer, Janina Kämmerer und Sonja Busemann in den Ring schicken. Lemmer ist zwar jung, hat aber schon in der 1. Liga gespielt und war mit Essen auch bereits bei einem Pokal Final Four vertreten. Busemann ist eine routinierte Spielerin, die schon alles in diesem Sport kennengelernt hat und den beiden jungen Spielerinnen Ruhe und Stabilität geben soll. Sie selbst dürfte es auf diesem Niveau aber schwer haben. „Die Mannschaft hat ja beim Qualifikations-Turnier in Seligenstadt gezeigt, dass sie auch gegen Bundesligisten bestehen kann“, so Busemann, die eigentlich in der 2. Mannschaft aufschlägt. „Wenn wir es schaffen, in Führung zu gehen, wird der Bundesligist vielleicht etwas nervös. Es bleibt aber natürlich dabei: Wir sind krasser Außenseiter.“ 

Von den beiden starken Langstädter Inderinnen Dia Chitale und Archana Kamath weilt zurzeit keine in Deutschland und die wiedergenesene Anne Bundesmann soll zur gleichen Zeit das Regionalligateam des TSV zum Sieg gegen Aufstiegs-Mitkonkurrent Kleve führen. 

Halbfinalgegner Bad Driburg kann mit der deutschen Nationalspielerin Nina Mittelham immerhin die aktuelle Nummer 76 der Welt bringen, zudem mit der Luxemburgerin Sarah de Nutte sogar die Nummer 64 des internationalen Rankings. Ferner stehen die Chinesin Su Yan, die in der 1. Liga ausgeglichen steht, die erfahrene Holländerin Linda van de Leur-Creemers sowie Europas Toptalent im Schülerinnen-Bereich, die 14-jährige Nordhessin Sophia Klee, zur Verfügung. Klee hat als jüngste deutsche Erstligaspielerin aller Zeiten immerhin bereits drei Matches in der laufenden Runde gewonnen. Wie man aus Bad Driburg hört, sollen Mittelham, de Nutte und Klee am Sonntag aufschlagen. 

Insgesamt ist das einfach noch eine Nummer zu groß für die ersatzgeschwächten Langstädterinnen, auch wenn man es ihnen gönnen würde, in Hannover ein weiteres Kapitel Pokalgeschichte zu schreiben. Somit geht es wohl eher darum, sich teuer zu verkaufen, den einen oder anderen Satz zu gewinnen und vielleicht sogar ein Match ins Ziel zu bringen. Ein 1:3 etwa gegen Bad Driburg, wie Langstadt zum ersten Mal beim Final Four vertreten, wäre bei dieser personellen Konstellation aller Ehren wert.  

Die Spielerinnen des Zweitliga-Tabellendritten sind jedenfalls top motiviert. „Ich freue mich riesig auf das Final Four. Wir trainieren schon die ganze Woche sehr intensiv beim Lehrgang in Frankfurt, um uns optimal vorzubereiten“, sagt Janina Kämmerer. „Auch wenn wir gegen Bad Driburg Außenseiter sind, wollen wir den Bundesligisten so viel wie möglich ärgern.“ Alena Lemmer kennt die Atmosphäre: „Ich war mit TUSEM Essen schon einmal beim Final Four, insofern weiß ich, was da auf uns zukommt. Mehrere hundert Zuschauer sind ja für das Damen-Tischtennis die absolute Ausnahme.“ Lemmer sieht die Ausgangsposition als günstig an: „Als Außenseiter haben wir nichts zu verlieren, das ist für uns natürlich eine angenehme Situation.“ 

Teamchef und Coach Manfred Kämmerer freut sich einfach auf das Turnier: „Mit der Qualifikation für das Final Four hat der TSV Langstadt den bislang größten Erfolg der Vereinsgeschichte erreicht. Insofern haben wir der Auslosung auch sehr entspannt entgegengesehen, denn wir sind sowieso gegen jeden Gegner krasser Außenseiter.“ Kämmerer ergänzt: „Wir freuen uns auf das Spiel gegen Bad Driburg sowie die ganze Atmosphäre bei diesem Event, der wichtigsten Großveranstaltung im deutschen Damen-Tischtennis.“ 

Um 10 Uhr steigen parallel die beiden Halbfinals, um 13.30 Uhr findet das Endspiel statt. Ob es Deutschlands Ausnahmemannschaft ttc berlin eastside überhaupt dorthin schafft, steht noch in den Sternen. Die Hauptstädterinnen, die den fünften Pokalsieg in Folge anpeilen, tun sich traditionell mit Halbfinalgegner Bingen – eigentlich das vorweggenommene Finale – schwer und haben derzeit Personalprobleme. Um diese zu kompensieren, wird eigens die erfahrene Hongkong-Chinesin Tie Yana, die bis vor zwei Jahren zur absoluten Weltklasse zählte, zu ihrem ersten Profi-Einsatz im eastside-Dress eingeflogen. Allerdings können die Berlinerinnen insofern durchatmen, als Angstgegnerin Hana Matelova dem Überraschungs-Herbstmeister fehlen wird.  

Zum ersten Mal wird es übrigens einen Livestream der Veranstaltung geben. Sowohl das Halbfinale zwischen Berlin und Bingen als auch das Finale werden bei Sportdeutschland.TV, auf www.tischtennis.de und der Facebook-Fanpage „Tischtennis in Deutschland“ zu sehen sein.

 

Text & Fotos (3): Dr. Stephan Roscher