Franziska/Solja haben Medaille sicher – Gauzy schaltet Xu Xin aus



Patrick Franziska/Petrissa Solja stehen im Mixed-Halbfinale und erringen somit die erste Medaille für Deutschland. Bis auf Timo Boll ist allerdings kein Deutscher mehr im Einzel vertreten. Für die Überraschung des Tages sorgte Simon Gauzy, der den an zwei gesetzten Xu Xin aus dem Turnier warf.

Mindestens Bronze für Patrick Franziska und Petrissa Solja

In einem Wahnsinns-Match, dramatisch bis zum letzten Ballwechsel, sicherten sich Franziska/Solja die Medaille gegen das bärenstarke Japan-Duo Masataka Morizono/Mima Ito in sechs Sätzen. Dabei hielten alle, die den Deutschen die Daumen drückten, die Luft an, als Patrick Franziska im fünften Satz beim Stand von 6:7 minutenlang wegen einer Fußverletzung behandelt werden musste. „Franz“ konnte schließlich weitermachen und die beiden gewannen den vorentscheidenden Durchgang mit 15:13. „Es war völlig verrückt, wie Patrick nach dem medical Time-out die drei Dinger durchgepfeffert hat“, freute sich „Peti“ Solja. „Es fühlt sich einfach super an, dass wir es geschafft haben, eine Medaille zu gewinnen. Es gibt nichts Schöneres gerade.“ Für die 25-jährige Bundesligaspielerin des TSV Langstadt ist es das zweite WM-Edelmetall im Mixed. Bei der WM 2017 in Düsseldorf hatte sie Bronze an der Seite des Chinesen Fang Bo gewonnen. Ob es diesmal mehr als Bronze wird, entscheidet sich am Donnerstag im Halbfinalmatch gegen das an zwei gesetzte Japan-Duo Maharu Yoshimura/Kasumi Ishikawa. Es könnte ähnlich eng werden wie gegen Morizono/Ito.

Franziska/Boll im Doppel-Viertelfinale

Patrick Franziska glänzte auch im Doppel gemeinsam mit Timo Boll. Durch ein hauchdünnes 4:3 gegen die Franzosen Tristan Flore/Emmanuel Lebesson nach einer zunächst verspielten, scheinbar uneinholbaren 3:0-Satzführung dürfen die beiden Odenwälder am Donnerstag gegen die Portugiesen Tiago Apolonia/Joao Monteiro um eine Medaille. Die Chancen stehen nicht schlecht, sofern die medizinische Abteilung des DTTB Franziskas Problem – letzte Diagnose des Mannschaftsarztes: Verstauchung des Großzehengrundgelenks am linken Fuß – in den Griff bekommt. Dr. Antonius Kass zeigt sich optimistisch, „dass wir es über Nacht hinbekommen.“

Für das letzte deutsche Damen-Doppel im Turnier war dagegen im Achtelfinale die Endstation erreicht. Chantal Mantz und Sabine Winter waren gegen das Taiwan-Duo Cheng Hsien-Tzu (TSV Langstadt)/Liu Hsing-Yin zwei Sätze auf Augenhöhe, hatten dann aber keine Chance mehr.

Aus drei mach eins: Nur Timo Boll im Achtelfinale

Im Einzel ist bei den 55. Weltmeisterschaften in Budapest nur noch Timo Boll vertreten, nachdem sich die Hoffnungen des DTTB, mit ihm, Franziska und Ovtcharov drei Spieler ins Achtelfinale zu bekommen, zerschlagen hatten. Die Art, wie der Rekord-Europameister sein Drittrunden-Spiel am Mittwoch gegen einen gewiss nicht schwachen Masataka Morizono gewonnen hat, war beeindruckend. Egal, was der Weltranglisten-45. aus Japan auch versuchte, Boll hatte die bessere Antwort. „Meine Rückhand ist heute sehr gut gekommen, und ich habe mich in den Ballwechseln gut bewegt, obwohl er Spin-Spin sehr gut spielt“, erklärte Boll seinen ungefährdeten 4:0-Erfolg. „Ich habe die Baustellen der vergangenen Wochen etwas behoben.“ Im Achtelfinale trifft er auf den Ochsenhausener Jang Woojin – der Südkoreaner, aktuelle Nummer zehn der Welt – gab sich beim 4:1 gegen Jonathan Groth keine Blöße. Jang, der gerne bei den Oberschwaben geblieben wäre, denen er seit Schüler-Zeiten freundschaftlich verbunden ist, jedoch aufgrund der Direktiven seines Verbandes im Olympiajahr in sein Heimatland zurück muss, ist sehr stark, doch sein Spiel scheint Boll zu liegen, so jedenfalls der Eindruck aus den wenigen Aufeinandertreffen in der Vergangenheit.

Turnier-Highlight durch Simon Gauzy

Der Spieler des Tages war jedoch nicht Timo Boll sondern Ochsenhausens TTBL-Profi Simon Gauzy. Hatte der Franzose international ein eher bescheidenes Jahr mit durchwachsenen Ergebnissen hinter sich, spielt er nun in Budapest umso stärker. Seine asiatischen Gegner bei der WM wurden immer besser – Gauzy auch. Zunächst wurde der Nordkoreaner Ham Yu Song besiegt (4:1), dann der Südkoreaner Park Ganghyeon (4:2) und am Mittwochnachmittag schließlich der Weltranglisten-Zweite Xu Xin. Auch nach einem 1:2-Satzrückstand ließ Gauzy nicht locker und brachte das Match schließlich mit 4:2 (11:8, 6:11, 11:13, 11:6, 11:9, 11:9) nach Hause, umjubelt von den ungarischen Tischtennisfans. „Das ist ein fantastischer Sieg“, so Gauzy. „Ich bin so glücklich, einen derart herausragenden Spieler geschlagen zu haben.“ Dass sein nächster Gegner Pitchford-Bezwinger Wang Yang (Slowakei) ist, gegen den er sicher eine realistische Siegchance besitzt, erfuhr Gauzy erst im Hotelzimmer: „Ich will mich jetzt gar nicht damit beschäftigen, gegen wen ich als nächstes spiele, sondern einfach nur den Augenblick genießen“, so seine letzten Worte beim Verlassen der Halle.

Auch Gauzys Ochsenhausener Teamkollege Hugo Calderano ist noch im Rennen. Gegen Grünwettersbachs Inder Sathiyan Gnanasekaran hatte der Weltranglisten-Siebte nicht allzu viel Mühe und gewann mit 11:6, 11:3, 11:9 und 11:9. Nun muss Calderano im Achtelfinale gegen Ma Long, 4:1-Sieger über Vladimir Samsonov, zeigen, ob er noch etwas drauflegen kann – der Titelverteidiger zeigt sich bislang in Budapest in sehr guter Form.

Werder-Neuverpflichtung Mattias Falck (Schweden), am Mittwoch klarer 4:0-Sieger über Tiago Apolonia, ist auch noch dabei und trifft im Achtelfinale auf Franziska-Bezwinger Lee Sangsu.

Ovtcharov und Franziska nutzen ihre Chancen nicht

Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska sind dagegen ausgeschieden. Besonders „Dimas“ Niederlage gegen Tomislav Pucar schmerzt, wobei man sich in Fulda natürlich freut, erweist sich Pucars Verpflichtung vor einem Jahr doch immer mehr als Lottogewinn. Damals hoffte man, dass der baumlange Kroate den scheidenden Jonathan Groth auf längere Sicht einigermaßen würde ersetzen können, sah das aber selbst eher als „Prinzip Hoffnung“ und war nicht wirklich davon überzeugt. Heute scheint Pucar bereits auf Augenhöhe mit dem Linkshänder aus Dänemark zu sein, der beim Champions-League-Finalisten UMMC Jekaterinburg gelandet ist. Gegen den Weltranglisten-Zwölften aus Deutschland bewies er auch Nervenstärke. Nach dem 11:2 in Durchgang fünf zur 3:2-Satzführung schien alles auf „Dima“ hinzudeuten, doch der Maberzeller zog den Kopf aus der Schlinge und traf plötzlich wieder fast alles, was sich bewegte, so dass nach einer Matchdauer von 51 Minuten und 42 Sekunden sein 4:3-Erfolg (11:9, 8:11, 11:8, 8:11, 2:11, 11:5, 11:7) besiegelt war. Im Achtelfinale trifft er auf den Weltranglisten-Achten Koki Niwa, der Jakub Dyjas in fünf Sätzen ausschalten konnte. Ovtcharov trug die Niederlage mit Fassung: „Er hat mehr riskiert, gut gespielt und am Ende verdient gewonnen. Mir fehlt einfach noch die Konstanz, aber was dafür genau fehlt, dafür habe ich jetzt noch keine Lösung.“

Gegen den Weltranglisten-Sechsten Lee Sangsu konnte Patrick Franziska seine durchaus vorhandenen Chancen nicht nutzen und unterlag mit 1:4. Nach dem klar gewonnenen ersten Durchgang schien der 1,90 Meter große Bensheimer gut im Rennen zu liegen, der auch im zweiten Satz auf hohem Niveau spielte aber in der Verlängerung verlor. Als schließlich auch noch der dritte Durchgang knapp weg ging, war nicht mehr viel zu retten, da der Südkoreaner das Match fortan immer besser in den Griff bekam und letztlich verdient gewann. „Ich habe mich einfach zu sehr verrückt gemacht, dass ich die Sätze zwei und drei verloren habe“, erklärte Franziska nach der Partie. „Er spielt ein ähnliches System wie ich, nur einen Tick besser. Da ist es wichtig, in Führung zu sein, sonst schlägt es nur links und rechts ein. Deswegen habe ich mich wohl nach Satz drei zu sehr geärgert, und dann ist das Spiel einfach so ein wenig weggelaufen.“

 

DIE ERGEBNISSE DER DEUTSCHEN AM MITTWOCH

Mixed
Achtelfinale

Franziska/Solja GER – Lin Yun-Ju/Cheng I-Ching TPE 4:1 (9,7,-5,7,8)
Viertelfinale
Franziska/Solja GER – Masataka Morizono/Mima Ito JPN 4:2 (11,8,-3,-11,13,8)

Herren-Einzel
3. Runde (32)

Timo Boll GER – Masataka Morizono JPN 4:0 (3,9,7,8)
Patrick Franziska GER – Lee Sangsu KOR 1:4 (5,-10,-9,-5,-5)
Dimitrij Ovtcharov GER – Tomislav Pucar CRO, 14 Uhr 3:4 (-9,8,-8,8,2,-5,-7)

Herren-Doppel
Achtelfinale
Boll/Franziska GER – Tristan Flore/Emmanuel Lebesson FRA 4:3 (9,4,8,-9,-7,-6,8)

Damen-Doppel
Achtelfinale

Mantz/Winter GER – Cheng Hsien-Tzu/Liu Hsing-Yin TPE 1:4 (-8,9,-5,-4,-5)

DIE SPIELE DER DEUTSCHEN AM DONNERSTAG

13.00 Uhr: Herren-Einzel, Achtelfinale
Timo Boll GER – Jang Woojin KOR

18.00 Uhr: Herren-Doppel, Viertelfinale
Timo Boll/Patrick Franziska GER – Tiago Apolonia/Joao Monteiro POR

20.00 Uhr: Mixed, Halbfinale
Franziska/Solja GER – Maharu Yoshimura/Kasumi Ishikawa JPN

 

WM 2019 auf der Webseite der ITTF

 

Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher