Sechs Deutsche überstehen ersten Hauptrundentag nicht



Das Aufgebot des DTTB hat sich am ersten Hauptrundentag in Budapest drastisch gelichtet. Zumindest bei den Damen geschah dies teilweise unerwartet. Solja, Mittelham, Lang und Winter sowie Steger und Qiu sind im Einzelturnier nicht mehr dabei. Boll, Ovtcharov und Franziska sind dagegen auf gutem Kurs.

Aus neun mach drei – etwas mehr hätte man sich beim DTTB schon vom ersten Hauptrundentag der 55. WM in Budapest erhofft. Von den neun deutschen Aktiven, die hoffnungsvoll in den dritten Tag des Weltturniers gestartet waren, überstanden vier die erste Hauptrunde nicht, zwei weitere folgten ihnen in Runde zwei.

Boll, Ovtcharov und Franziska auf Erfolgskurs

Die Erwartungen erfüllten dagegen die drei deutschen Topspieler der Herren. Timo Boll hatte in seinem Auftaktmatch gegen Andrej Gacina zwar wie erwartet zu kämpfen, durfte sich am Ende aber über einen 4:2-Erfolg (11:8, 7:11, 11:7, 18:16, 7:11, 11:8) freuen. Der Knackpunkt zugunsten des 38-jährigen Odenwälders war fraglos der extrem umkämpfte vierte Satz. Gegen den Slowaken Lubomir Pistej wurde es anschließend ein ganzes Stück einfacher für den Weltranglisten-Fünften, Pistej kam in keinem Satz über acht Punkte. In der dritten Runde trifft der Deutsche auf den Ex-Grünwettersbacher Masataka Morizono und geht im Linkshänder-Duell als Favorit an den Tisch, auch wenn Morizono immer ein gefährlicher Gegner ist.

Dimitrij Ovtcharov, in die schwierigere obere Hälfte des Tableaus gelost, hatte zunächst mit dem Israeli Michael Tauber keine Mühe, um sich später gegen den Slowenen Deni Kozul, kommende Saison in Jülich unter Vertrag, beim 4:2 schwer zu tun. Dima reagierte etwas genervt, auch weil sich der Beginn seines zweiten Matches um eine Stunde verzögert hatte: „Ich war der klare Favorit, habe aber durch die Verzögerung gar nicht in mein Spiel gefunden. Ich habe durchweg keine gute Leistung gebracht. Das einzige, was heute positiv war, ist, dass ich gewonnen habe.“ In der Runde der besten 32 trifft Ovtcharov am Mittwoch auf den bisher bärenstarken Maberzeller Tomislav Pucar, der nicht nur Bastian Steger sondern auch Kamal Sharath Achanta ausschalten konnte. Um ins Achtelfinale vorzustoßen, wird er gegen Pucar, dessen Leistungskurve bereits gegen Ende der TTBL-Punktrunde steil nach oben zeigte, in Bestform spielen müssen. Zuzutrauen ist es ihm ohne Weiteres, ein Selbstläufer wird es aber gewiss nicht.

Patrick Franziska tanzt weiter auf drei Hochzeiten. Auch im Herren-Einzelturnier war der 26-jährige Bensheimer bisher nicht zu bezwingen. Gegen den ungarischen „Lokalmatador“ Tamas Lakatos gab der 1,90 Meter große DTTB-Hoffnungsträger keinen Satz ab, während er einige Stunden später beim 4:2 über einen gewiss nicht schwachen Anton Källberg zu kämpfen hatte. Der Schwede spielte deutlich stärker als zuletzt in der TTBL. Doch Franziska ist eben mittlerweile so weit, auch solche Matches nach Hause zu bringen. „Das war saueng. Anton hat heute sehr stark gespielt und hatte diesmal keine Probleme mit meinem Auf- und Rückschlagspiel“, erklärte Deutschlands drittbester Spieler. „Gegen Källberg hatte ich zu Beginn einige Konzentrationslöcher, aber das Selbstvertrauen ist gut. Ich hoffe, es geht in allen drei Konkurrenzen noch weiter für mich.“ Er weiß, dass er am Mittwoch gegen den Südkoreaner Lee Sangsu eine, wenn nicht sogar zwei Schippen drauflegen muss, um eine echte Chance zu haben. Und die hat er gegen die aktuelle Nummer sechs der Welt, die am Dienstag den Österreicher Andreas Levenko und den Portugiesen Joao Geraldo aus dem Turnier warf.

Recht erfolgreich verliefen die bisherigen Auftritte der Ochsenhausener Spieler. Am meisten überzeugte Jakub Dyjas, der mit dem Russen Alexander Shibaev (4:3) und dem Düsseldorfer Schweden Kristian Karlsson (4:1) zwei Topleute ausschaltete. Nun trifft er auf den favorisierten Koki Niwa. Knackt er den auch noch, hat sich das Turnier für den 23-jährigen Polen bereits gelohnt. Unter den letzten 32 stehen auch Hugo Calderano, Simon Gauzy und Jang Woojin.

Für die beiden deutschen Qualifikanten Bastian Steger (3:4 gegen Pucar) und Dang Qiu (0:4 gegen Lin Yun-Ju) war dagegen in der ersten Hauptrunde das Ende der Reise erreicht.

Alle DTTB-Damen im Einzel ausgeschieden

Nicht anders erging es Kristin Lang, ebenfalls über die Qualifikation ins Hauptfeld gelangt, die gegen die Tschechin Hana Matelova keinen Satz gewinnen konnte. Natürlich ist Matelova noch aus Bingener Zeiten als äußerst sperrige Gegnerin bekannt, doch hatte man der in den letzten Monaten in der Bundesliga so stark spielenden Lang schon zugetraut, die nächste Runde zu erreichen. Man hatte den Eindruck, dass sie einen Satzgewinn gebraucht hätte, um richtig ins Match zu finden, doch der stellte sich auch in den engen Durchgängen zwei und drei (13:15, 12:14) nicht ein.

Eine weitere Spielerin des Meisters und Pokalsiegers Kolbermoor überstand die erste Runde nicht. Sabine Winter enttäuschte beim 3:4 gegen die Inderin Surtitha Mukherjee, die in der April-Weltrangliste gerade einmal auf Platz 502 geführt wird.

Petrissa Solja, aktuelle Nummer 23 der Welt, ereilte das Turnier-Aus eine Runde später. Die 25-jährige Pfälzerin in Diensten des südhessischen TSV Langstadt hatte zwar zunächst mit der Belgierin Nathalie Marchetti vom Zweitligisten ATSV Saarbrücken wenig Mühe, kam dann aber im Langstädter Klubduell gegen eine bärenstarke Cheng Hsien-Tzu (WRL Platz 53) zu Fall. Cheng siegte mit 14:12, 11:9, 11:7 und 11:7. Solja erkannte die starke Leistung ihrer Teamkollegin und Doppelpartnerin in der Bundesliga an: „Wir kennen uns sehr gut aus dem Training. Es ist natürlich schon schade, bei einer WM so früh auf eine Topspielerin getroffen zu sein.“ Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer wollte nicht von einer Sensation sprechen: „Cheng hat schon gegen Bingen unheimlich stark gespielt.“ In der Runde der letzten 32 bekommt sie es mit der Südkoreanerin Suh Hyowon (WRL 11) zu tun, einer extrem sicheren Verteidigungsspielerin. Und das Spiel gegen Abwehr ist bekanntermaßen nicht so ihr Ding.

Die künftige Langstädterin Dina Meshref, die in der Bundesliga abwechselnd mit Cheng an Position zwei aufschlagen wird, ist nicht mehr dabei. In der ersten Runde konnte sich die 25-jährige Ägypterin gegen die Inderin Archana Girish Kamath, in der Saison 2018/19 noch beim TSV gemeldet aber zu keinem Einsatz gekommen, mit 4:3 behaupten. Im der Runde der letzten 64 ereilte Meshref das Aus gegen die Kanada-Chinesin Zhang Mo (WRL 25) – diesmal zog sie in sieben Durchgängen den Kürzeren.

In Runde zwei wie Petrissa Solja ausgeschieden ist auch Nina Mittelham. Gegen die Weltranglisten-Achte Cheng I-Ching (Taiwan) agierte die Leistungsträgerin des ttc berlin eastside zwar über weite Strecken auf Augenhöhe, verlor aber gleich drei Sätze in der Verlängerung.

Doppel/Mixed: Drei Eisen im Feuer

Freundlicher sieht es in den Doppel-Wettbewerben sowie im Mixed aus, in denen der DTTB jeweils noch ein Eisen im Feuer hat. Da diese bereits im Achtelfinale stehen, werden noch zwei Siege benötigt, um zu einer WM-Medaille zu kommen.

Patrick Franziska ist noch in allen Wettbewerben vertreten. Im Doppel zählt er an der Seite von Timo Boll zum erweiterten Favoritenkreis. Gegen die Nigerianer Aruna/Omotayo musste man sich zunächst etwas quälen (4:2), um in der nachfolgenden Runde gegen die Ägypter El-Beiali/Saleh locker zu gewinnen. Im Achtelfinale trifft man auf Tristan Flore/Emmanuel Lebesson, die durch einen spektakulären Zweitrunden-Sieg in sieben spannenden Sätzen gegen die Japaner Masataka Morizono/Yuya Oshima, Nummer eins der Doppel-Weltrangliste, glänzten. Präsentieren sich die Franzosen am Mittwoch in ähnlich guter Form, könnte es ein ganz enges Match werden.

Nicht mehr in der Verlosung ist das Duo Dang Qiu/Bastian Steger, das in Runde eins der dänisch-englischen Formation Groth/Pitchford gratulieren musste.

Das eine deutsche Damen-Duo Kristin Lang/Nina Mittelham hat das Achtelfinale durch eine 2:4-Niederlage gegen die Taiwanerinnen Chen Szu-Yu/Cheng I-Ching verpasst, das andere – Chantal Mantz/Sabine Winter – ist noch dabei nach Siegen gegen die Kolumbianerinnen Medina/Perdomo (4:0) und das Zufallsgespann Takahashi/Todorovic (Brasilien/Serbien), das mit 4:2 geschlagen wurde. Am Mittwoch wird es sicher ein ganzes Stück schwerer, wenn die Gegnerinnen Cheng Hsien-Tzu/Liu Hsing-Yin (Taiwan) heißen.

Im Mixed werden Patrick Franziska und Petrissa Solja weiterhin zum Kreis der Medaillenanwärter gezählt. Allerdings war das deutsche Duo noch nicht ernsthaft gefordert. Gegen die Russen Ivonin/Noskova siegte man ebenso ohne Satzverlust wie gegen die Slowaken Kaluzny/Kukulkova. Im Achtelfinale wartet am Mittwoch mit der Taiwan-Formation Lin Yun-Ju/Cheng I-Ching die erste echte Herausforderung. Ausgeschieden sind dagegen Dang Qiu/Nina Mittelham, die in der zweiten Hauptrunde den Slowaken Pistej/Balazova mit 2:4 unterlagen.

 

WM 2019 auf der Webseite der ITTF

 

Text & Foto Cheng Hsien-Tzu: Dr. Stephan Roscher

Foto Patrick Franziska: ITTF