TTBL: Nach der Gala kommt die Pflicht



Der frischgebackene Pokalsieger TTF Liebherr Ochsenhausen stand am Samstag vor einer Rekordkulisse im Rampenlicht. Nun gilt es, rasch wieder in den Alltag zurückzufinden. Gegen Bundesliga-Schlusslicht Jülich ist am Sonntag ein Sieg absolute Pflicht.


Rückblick und Ausblick

Mit dem vierten Pokalsieg der Vereinsgeschichte hat das Team aus Oberschwaben nach fast 15 Jahren endlich wieder einen Titel geholt – eigentlich überfällig, jedoch alles andere als selbstverständlich. Und gerade das Finale gegen glänzend aufgelegte Bremer hat den Schützlingen von Dmitrij Mazunov alles abverlangt. Am Ende durfte ausgelassen gejubelt und gefeiert werden – das hatten sich alle verdient.

Nun, das erste Saisonziel wurde erreicht, ja eigentlich sogar übertroffen, man hatte ursprünglich ja „nur“ das Liebherr Pokal-Finale erreichen und dort möglichst ins Endspiel vordringen wollen. Mit dem Ausscheiden Düsseldorfs war man dann in die Favoritenrolle hineingerutscht und hatte auf einmal einen Status zu verteidigen, obwohl man noch gar nichts Zählbares in der Hand hatte. Das war nicht einfach für die Spieler, schon gar nicht vor mehr als 4.000 erwartungsvollen Fans, die anstelle von Timo Boll neue Helden sehen wollten. Nun, sie bekamen schließlich ihre neuen Idole und ein Hugo Calderano war nach der Siegerehrung in der Ratiopharm Arena ebenso begehrt bei den Autogramm- und Selfie-Jägern wie es die deutsche Tischtennis-Ikone in den Jahren zuvor gewesen war. Selbst ein Jang Woojin, den – obwohl Weltklassespieler – bei seinem ersten Auftritt in Deutschland längst nicht alle kannten, musste immer wieder für Selfies zur Verfügung stehen. Für den überaus bescheidenen Südkoreaner, der sich nie in den Vordergrund drängt, eine sicher nicht alltägliche Erfahrung.

Kurzum: Das Liebherr Pokal-Finale war grandios aus Sicht der Ochsenhausener. Und es war ungemein wichtig für den Verein. Es war nicht zuletzt der Lohn für die intensive, zielgerichtete Arbeit seit vielen Jahren bei den TTF sowie im Liebherr Masters College und die Willenskraft, den einmal eingeschlagenen Weg trotz des einen oder anderen Rückschlags konsequent weiterzugehen.

Doch die Saison ist gerade erst zur Hälfte vorbei. Die nächste Herausforderung wäre es, dem Erfolg von Neu-Ulm noch ein Sahnehäubchen aufzusetzen. Noch besitzt man alle Chancen auf einen zweiten Titel, wenngleich es bis dahin ein sehr weiter Weg ist. Dazu gilt es für den derzeitigen Ligaprimus der TTBL, möglichst viele weitere Siege in den Punktspielen einzufahren, zumal es fünf aussichtsreiche Bewerber um die vier Play-off-Plätze gibt und man trotz beeindruckender 22:4 Punkte noch längst nicht durch ist.

„Leichter“ Gegner, schwierige Konstellation

Am Sonntag empfängt man „nur“ den TTC indeland Jülich, der als Aufsteiger bisher in Europas Topliga nichts gerissen hat und punktlos am Tabellenende steht. Doch gerade das ist eine schwierige Konstellation, da man nach den Höhen des Final Four nun wieder im Alltag unter Beweis stellen muss, dass man besser als die anderen ist. Ausgerechnet nach Neu-Ulm kommt nun eine graue Maus der Liga nach Ehingen, dem Heimspielort der TTF. Auch die Westdeutschen aus der Grenzregion zu Belgien und den Niederlanden können indes Tischtennis spielen und würden gerne einem Favoriten, der vielleicht mit seinen Gedanken noch in anderen Sphären schwebt, ein Bein stellen. Deswegen will der frischgebackene Cupsieger auch gegen Jülich den Kampf annehmen und Adrenalin mobilisieren. Gelingt dies, dürfte gegen die beiden Belgier Robin Devos und Martin Allegro sowie den Ulmer Dennis Klein, vor einigen Jahren selbst noch Student des Liebherr Masters College, nichts anbrennen.

Im Hinspiel Anfang September hatte man aber durchaus zu kämpfen und sah sich beim 3:1-Auswärtssieg mit heftigem Widerstand der Hausherren konfrontiert. Devos gelang sogar das Kunststück, einen an diesem Tag nicht gerade im Galaform auftretenden Hugo Calderano zu schlagen. Ergo wird auch Jülich kein Selbstläufer – alles muss wie immer erst einmal gespielt werden.

Erster Bundesliga-Einsatz für Jang Woojin

Das wissen die TTF und präsentieren den Zuschauern in Ehingen einen Leckerbissen. Der Weltranglistenelfte Jang Woojin wird nach seinen beiden Auftritten im Liebherr Pokal-Finale nun erstmals auch in der Bundesliga aufschlagen. Der Koreaner, der in Neu-Ulm noch etwas nervös war, aber seine Klasse bereits mehr als andeutete, dürfte im Normalfall von keinem Jülicher zu schlagen sein. Für die Fans, die diesen Weltklassespieler noch nicht live in Aktion erlebt haben, besteht nun die Möglichkeit, dies nachzuholen. Es handelt sich immerhin um die Nummer drei der Bundesliga hinter Boll und Calderano, wenn man die Weltrangliste zugrunde legt. Zudem ist Jang der bisher einzige Spieler der Tischtennisgeschichte, der das Kunststück fertigbrachte, bei einem World-Tour-Turnier alle drei Titel in Einzel, Doppel und Mixed zu erringen – und das nicht bei irgendeinem Turnier sondern bei den hochkarätig besetzten Korea Open 2018.

In Ochsenhausen geht alles bereits wieder seinen gewohnten Gang. „Nachdem wir unseren Pokalsieg gebührend gefeiert haben, sind wir seit Montag auch wieder ins Bundesligageschäft eingestiegen und haben konzentriert trainiert“, so Cheftrainer Dmitrij Mazunov. „Entsprechend werden wir das Spiel gegen Jülich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir wollen den Schwung aus dem Pokal mitnehmen und noch eine Zeit lang auf der Euphoriewelle reiten.“   

Angesichts des Pokalsiegs haben die TTF Liebherr Ochsenhausen nicht vergessen, woher dieser Erfolg gekommen ist. Man hat den Titel nicht zuletzt dem Liebherr Masters College (LMC) zu verdanken, denn aus diesem ist der Großteil der Mannschaft hervorgegangen. Daher möchte man die kompletten Ticketeinnahmen aus dem Jülich-Spiel an die LMC-Stiftung spenden. Die Ticketpreise wurden ermäßigt. Der Verein hofft, dass auf diesem Weg trotz des nicht allzu attraktiven Gegners viele Zuschauer nach Ehingen kommen und die Mannschaft als neuen Pokalsieger begrüßen werden.

Die Mannschaften

TTF Liebherr Ochsenhausen

Jang Woojin KOR, 23 Jahre, Januar-Weltrangliste Platz 11, TTBL 0:0

Hugo Calderano BRA, 22 Jahre, WRL 6, TTBL 6:5

Simon Gauzy FRA, 24 Jahre, WRL 34, TTBL 10:6

Stefan Fegerl AUT, 29 Jahre, WRL 58, TTBL 5:4

Jakub Dyjas POL, 23 Jahre, WRL 68, TTBL 9:2

Doppel: Dyjas/Fegerl 2:0, Calderano/Fegerl 1:0, Fegerl/Gauzy 1:0

Cheftrainer: Dmitrij Mazunov RUS, 47 Jahre 

TTC indeland Jülich

Robin Devos BEL, 24 Jahre, WRL 100, TTBL 4:11

Martin Allegro BEL, 22 Jahre, WRL 108, TTBL 0:13

Dennis Klein GER, 21 Jahre, WRL 334, TTBL 1:9

Doppel: —

Trainer: Miroslav Broda GER, 54 Jahre

 

Text & Foto: Dr. Stephan Roscher