EM 2018: DTTB-Asse komplett weiter – Mixed-Gold für Filus/Han



Auch der zweite Hauptrunden-Tag in Alicante verlief für den Deutschen Tischtennis-Bund ungemein erfolgreich. Alle neun Spieler zogen ins Achtelfinale ein. Im Mixed triumphierte das Defensiv-Duo Ruwen Filus/Han Ying und darf sich ab heute Europameister nennen.

 

Gold und Bronze für Deutschland im Mixed 

In einem prickelnden Endspiel besiegten die beiden Deutschen die Österreicher Stefan Fegerl/Sofia Polcanova mit 3:2 (11:7, 9:11, 11:4, 9:11, 11:8). Für Filus sicher eine tolle Entschädigung, bedenkt man, dass er für das Einzel trotz Weltranglistenposition 19 nicht nominiert worden war. 

Es war ein historischer EM-Sieg. Der DTTB informiert: „Erstmals nach 40 Jahren erklang nach dem Finale des Mixed-Wettbewerbs bei den Europameisterschaften wieder die Nationalhymne Deutschlands. Nach dem Triumph von Wilfried Lieck und Wiebke Hendriksen1978 in Duisburg und dem Sieg von Inge Harst 1962 an der Seite des Schweden Hans Alser gelang dem DTTB durch das Abwehrduo Ruwen Filus/Han Ying am Abend in Alicante der dritte Goldmedaillengewinn im Mixed in der Geschichte der Europameisterschaften.“

Fegerl/Polcanova hatten sich am Mittag im Halbfinale mit 3:1 (11:7, 1:11, 13:11, 11:9) gegen Patrick Franziska/Petrissa Solja durchgesetzt, die somit mit Bronze Vorlieb nehmen mussten. Filus/Han hatten gegen die „Oldies“ Aleksandar Karakasevic (Serbien) und Ruta Paskauskiene (Litauen) – in den Jahren 2000, 2005, 2007 und 2009 Europameister im Mixed – hauchdünn in fünf Durchgängen gewonnen (11:6, 9:11, 11:7, 13:15, 12:10). 

Spitze waren die Auftritte aller neun Deutschen, die in der Runde der letzten 32 in den Einzelkonkurrenten vertreten waren, auch wenn die Gegner bis auf ein, zwei Ausnahmen noch nicht die ganz großen Namen trugen und am Samstag in den Achtelfinals auf die meisten dicke Brocken warten. 

Boll muss lange zittern, Ovtcharov im Aufwind 

Timo Boll musste von allen am meisten zittern. Um ein Haar wäre der topgesetzte Rekordeuropameister gegen den 21-jährigen Can Akkuzu, der in Ochsenhausen lebt und trainiert, rausgeflogen. Boll, der tatsächlich im Turnier nicht den stabilen Eindruck wie sonst macht, setzte sich hauchdünn im siebten Satz gegen den stark spielenden Franzosen durch (5:11, 11:8, 11:9, 9:11, 11:3, 8:11, 13:11). In dieser Verfassung wird er am Samstagmittag gegen Liam Pitchford eher nicht gewinnen, der bisher auch in Alicante groß aufspielt und in Runde 2 gegen den Ex-Ochsenhausener Joao Geraldo gewann (4:2). Doch wer weiß schon, was der routinierte Odenwälder morgen noch draufpackt. 

Patrick Franziska schlug Bojan Tokic erwartungsgemäß mit 4:1 und trifft am Samstagmittag mit Tiago Apolonia (4:1 gegen Alvaro Robles) auf einen weiteren Ex-Teamkollegen aus Saarbrücken. Auch das erscheint machbar, „Franz“ ist in guter Form. 

Die größte Leistung vollbrachte Benedikt Duda, der von allen DTTB-Aktiven am Freitag den namhaftesten und ranghöchsten Gegner hatte. „Bene“ schaffte es tatsächlich, den Finalisten der EM 2016 und aktuellen Weltranglisten-13. Simon Gauzy (Ochsenhausen) in einem Sieben-Satz-Herzschlagmatch aus dem Turnier zu kegeln – 6:11, 11:8, 9:11, 11:6, 11:4, 10:12, 12:10 hieß es am Ende für den Deutschen. Die Aufgabe Dudas am Samstag gegen den Schweden Jon Persson (4:0 gegen Martin Allegro/Jülich) erscheint in dieser Verfassung gewiss nicht unlösbar.

Ricardo Walther hatte gegen den Ex-Frickenhausener Wang Yang (Slowakei) zu kämpfen, behauptete sich aber mit 4:1 (11:8, 11:8, 7:11, 11:8, 12:10) gegen den Defensivstrategen. Nun geht es gegen einen der Mitfavoriten auf den Turniersieg. Der an vier gesetzte Portugiese Marcos Freitas konnte den Ochsenhausener Stefan Fegerl mit 4:2 ausschalten und will nun auch Walthers Lauf beenden. 

Schließlich kam auch Dimitrij Ovtcharov eine Runde weiter – und beim Weltranglistenfünften scheint es tatsächlich bergauf zu gehen. Beim 4:1 gegen den Russen Alexander Shibaev (12:10, 6:11, 11:6, 11:7, 12:10) bot Dima eine tadellose Leistung. Im Achtelfinale gegen seinen Orenburger Teamkollegen Vladimir Samsonov (Samstag, 14.45 Uhr) wird es vermutlich nochmals einen Tick schwerer. Doch alles erscheint nun möglich, auch der Titelgewinn für den 30-jährigen Deutschen. 

Es war im Übrigen kein guter Tag für Frankreich. Neben Gauzy und Akkuzu ist nämlich auch Titelverteidiger Emmanuel Lebesson ausgeschieden – der Franzose unterlag dem Mühlhausener TTBL-Profi Ovidiu Ionescu in fünf Durchgängen. Apropos Mühlhausen: Auch Daniel Habesohn glänzt bisher und steht nach seinem Sieg über den Polen Marek Badowski im Achtelfinale gegen den Ex-Düsseldorfer Panagiotis Gionis. 

Überzeugende DTTB-Damen wollen am Samstag gegen die Top-Asse bestehen  

Im Damen-Einzel wussten alle vier im Turnier verbliebenen DTTB-Spielerinnen zu gefallen. Völlig reibungslos erledigten Sabine Winter und Nina Mittelham ihren Job. Winter demonstrierte ein weiteres Mal, dass sie gut gegen Abwehr kann, und ließ der 32-jährigen Ukrainerin Ganna Gaponova beim 4:0 nicht die geringste Chance. Zur „Belohnung“ darf sie im Achtelfinale erneut gegen eine Defensivspielerin ran, jedoch nicht irgendeine sondern die Holländerin Li Jie, aktuelle Nummer 18 der Welt und in Alicante an Position 2 gesetzt. 

Die Neu-Berlinerin Nina Mittelham legte gegen die Ungarin Szandra Pergel einen runden Auftritt hin und siegte vollkommen ungefährdet mit 11:7, 11:9, 11:4, 11:7. Am Samstag wird es aber auch für die 21-jährige Weltranglisten-54 richtig schwer, wenn ihre Gegnerin Bernadette Szöcs heißt. Doch unschlagbar ist die Rumänin, aktuelle Nummer 26 der Welt, auch wiederum nicht. Viel wird von der Tagesform abhängen. 

Petrissa Solja hatte gegen die Portugiesin Shao Jieni durchaus zu kämpfen, ehe ihr 4:1-Erfolg (11:9, 7:11, 12:10, 11:9, 11:6) feststand. Aber bei einem derartigen Turnier zählen ja nicht hohe Siege sondern einfach nur das Weiterkommen und dass man zulegen kann, wenn die Gegner stärker werden. Und da ist bei der Langstädter Bundesligaspielerin bekanntlich alles möglich – keine deutsche Spielerin hat eine so gute Hand wie Solja. Und die muss sie am Samstag (11.45 Uhr) auch ins Spiel bringen, wenn sie gegen ihre Berliner Ex-Teamkollegin Georgina Pota, Nummer 8 der Setzliste, bestehen will – ein klassisches 50:50-Spiel. 

Die frischgebackene Mixed-Europameisterin Han Ying (WRL Platz 39), Nummer 9 der Setzliste, trifft im Achtelfinale auf die ranghöchste Bundesligaspielerin, nämlich die an 6 gesetzte Schwedin Matilda Ekholm (WRL 29). Das könnte ein prickelndes Duell werden, Ausgang völlig offen. Han hatte im Sechzehntel-Finale erst gegen Ende die Russin Yana Noskova gut im Griff (4:11, 13:11, 11:8, 11:7, 11:1), während Ekholm gegen die 26-jährige Französin Stephanie Loeuillette (WRL 107) beim 4:3 (11:9, 10:12, 10:12, 10:12, 12:10, 11:7, 11:6) dicht vor dem Aus stand. 

Für die größte Überraschung bei den Damen sorgte am Freitag die Polin Katarzyna Grzybowska-Franc, die Kolbermoors Ex-Europameisterin „Susi“ (Liu Jia) in sechs Sätzen aus dem Turnier warf. 

Alle DTTB-Doppel auf Erfolgskurs 

Die deutsche Erfolgsstory setzte sich am Freitag auch in den Doppeln fort. Sowohl die Titelverteidiger Patrick Franziska/Jonathan Groth (4:0 gegen Diogo Carvalho/Diogo Chen, Portugal) als auch Ruwen Filus/Ricardo Walther (4:2 gegen Wang Yang/Panagiotis Gionis) stehen in den Viertelfinals und benötigen am Samstag noch einen Sieg, um Medaillen sicher zu haben. Beide treffen auf multinationale Formationen und gehen als Favoriten an die Tische – Franziska/Groth duellieren sich mit dem TTBL-Duo Alvaro Robles (Spanien)/Ovidiu Ionesco (Rumänien), Filus/Walther mit Samuel Walker (England)/Tobias Rasmussen (Dänemark). 

Und was machen unsere Damen im Doppel? Richtig erraten, sie gewinnen bisher ebenfalls alles, was zu gewinnen ist und spielen am Samstag schon um Medaillen. Sabine Winter/Petrissa Solja, die beim 4:2 im Achtelfinale gegen Britt Eerland/Dana Cechova einigen Widerstand zu brechen hatten, treffen nun auf die bisher souverän agierenden Topgesetzten, das eastside-Duo Matilda Ekholm/Geogina Pota. Schade, das wäre auch ein attraktives Endspiel gewesen! Doch da sind ja auch noch Nina Mittelham/Kristin Lang im Spiel, die die Portugiesinnen Yu Fu/Shao Jieni ausschalteten (4:2) und noch einen Sieg gegen Elizabeta Samara/Bernadette Szöcs (4:1 gegen Liu Jia/Amelie Solja AUT) brauchen, um Edeltmetall mitzunehmen. Doch die Rumäninnen sind an 2 gesetzt und im Normalfall nur ganz schwer zu schlagen. 


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Text & Fotos Winter, Ovtcharov: Dr. Stephan Roscher

Fotos Filus/Han (2): ITTF