WM 2021: Boll marschiert Richtung Finale!



Von David Rieß

Er hat es wieder getan! Nach zehn Jahren sichert sich Timo Boll erneut eine Einzel-Medaille bei den Weltmeisterschaften. Der 40-Jährige besiegte am frühen Abend texanischer Zeit den amerikanischen Lokalmatador Kanak Jha in sechs Durchgängen. Boll hat damit Bronze bereits sicher, doch auch ein Finaleinzug scheint möglich – die „Losfee“ in Houston war offenbar eine Deutsche.

Wer am späten Abend den Laptop startete, staunte zunächst nicht schlecht: Timo Boll, sonst als Inbegriff der Konstanz bekannt, erwischte einen derart katastrophalen Start in Durchgang eins, dass der Griff unwillkürlich in Richtung der Brillenputztücher ging. Doch er war es: Eben jener 40-jährige Deutsche, der in diesem Jahr nicht nur das Triple mit Borussia Düsseldorf gewann, sondern auch den Titel bei der Einzel-Europameisterschaft.

Letztlich gipfelte der „Horrorsatz“ darin, dass Boll beinahe wie ein Bezirksligaspieler an der Tischkante hängen blieb und letztlich – nach mehreren sehr beunruhigenden Blicken und Gesten – 4:11 gegen Lokalmatador Kanak Jha unterlag. Ob hierbei der stark verzögerte Beginn eine Rolle spielte, weil viele Fans erst spät die Halle betreten durften? In jedem Fall wirkte Timo Boll steif, unbeweglich und davon in hohem Maße irritiert.

Die zahlreichen Fans im George R. Brown Convention Center machten sich nun verständlicherweise Hoffnung auf eine Medaille ihres Youngsters Jha, doch Boll wirkte nach nur 60 Sekunden Satzpause wie verjüngt. Er diktierte das Spiel und untermauerte die zahlreichen erfolgreichen Aktionen mit Fäusten des Jubels.

So sicherte sich Boll in geradezu euphorischer Manier den zweiten Satz und startete auch Durchgang drei äußerst überzeugend. Boll traute es sich nun zu, die schnellen, offenen Rallyes einzugehen und wurde dafür belohnt. Gleichwohl konnte der US-Amerikaner Kanak Jha sich hernach auf den Deutschen einstellen, sodass Boll sich die Sätze drei und vier nicht mehr ganz so überzeugend holen konnte. Womöglich spielte hierbei auch ein leichtes muskuläres Leiden eine Rolle – zumindest sah man Boll ab Satz drei hin und wieder mit einem Eisbeutel auf seinen Bauchmuskeln. Die Verjüngung war damit offenbar dahin.

Trotz allem sicherte sich der Deutsche mit einem „Jossa!“ der Erleichterung, aber gewiss auch der Freude, ebenfalls Satz Nummer vier. Ab diesem Zeitpunkt kam nochmals Spannung auf, auch da Boll offenbar aktiv versuchte, sich wenig zu bewegen. Mit Nadelstichen und der höheren Klasse konnte Timo Boll gleichwohl vermeiden, dass sich Jha deutlich absetzte. Der Satz ging dennoch mit 11:9 an den US-Amerikaner.

Wenig später war es dann allerdings soweit, da Boll insgesamt das bessere Aufschlag-Rückschlag-Spiel besaß und der junge, wilde Jha keine Konstanz in sein Spiel bekam. Letztlich musste Boll sich allerdings gehörig strecken und gegen seine Schmerzen ankämpfen: Das zeigte der Punkt zum 10:7 im letzten Satz eindrücklich, in dem Boll den Ball unorthodox mit der Rückhand über den Tisch drückte und sich während des Jubelns die verletzte Muskulatur hielt.

„I was fighting like hell!“, sagte ein verschwitzter, aber gleichzeitig gelöster Timo Boll wenige Sekunden nach dem Spiel, das ihm die Bronzemedaille sichert. Im Halbfinale wird Boll dank einer milden „Losfee“ entweder auf Truls Moregard oder Quadri Aruna treffen, gegen die er beide als Favorit in den Ring steigen dürfte – wenn denn seine Bauchmuskulatur nichts dagegen hat.

Text: David Rieß

Foto: WTT