WM 2021: China ohne die beiden Titelverteidiger Ma Long und Liu Shiwen



Bei der Nominierung des chinesischen Tischtennis-Verbandes​ warteten die Verantwortlichen mit einem absoluten Paukenschlag auf, denn China wird bei der im kommenden Monat stattfindenden Weltmeisterschaft in Houston ohne die beiden Titelverteidiger der Einzel-Wettbewerbe, Ma Long und Liu Shiwen, antreten. Ebenfalls fehlen wird der gemeinsam mit Liu Shiwen amtierende Mixed-Weltmeister und Weltranglistendritte Xu Xin.

Bei Liu Shiwen kommt die Nicht-Nominierung sicherlich für manche auch etwas überraschend, doch sie ist absolut nachvollziehbar und war von vielen sicherlich auch so erwartet worden. Grund dafür ist in erster Linie, dass die drei Superstars der derzeitigen Szene im Damen-Tischtennis, die Olympiasiegerinnen Chen Meng, Wang Manyu und Sun Yingsha, leistungsmäßig inzwischen deutlich an Liu Shiwen vorbeigezogen sind und dass auch dahinter viele ganz junge Spielerinnen nachdrängen, wie etwa die ehemalige Jugend-Weltmeisterin Qian Tianyi, oder dass andere Spielerinnen in dieser Saison einfach überragende Leistungen gebracht haben, wie etwa Chen Xingtong oder Wang Yidi.

Überraschender kommt da sicherlich die Nichtnominierung bei den Herren von Xu Xin und natürlich vor allem die Nichtnominierung des Olympiasiegers und Weltmeisters von 2015, 2017 und 2019, Ma Long. Er fehlte zuletzt auch schon bei den Einzel-Wettbewerben der chinesischen Meisterschaft und nahm dort nur am Doppel- und Teamwettbewerb teil, war aber danach in der chinesischen Super League voll im Einsatz. Offizielle Lesart ist, dass sowohl Ma Long als auch Xu Xin auf die Teilnahme an der WM aufgrund der übergroßen physischen Belastung der letzten Monate verzichtet haben. Aber einige Kommentare des General-Sekretärs des chinesischen Tischtennis-Verbandes CTTA, Qin Zhijian, lassen durchaus auch andere Interpretationen zu. So sagte Qin Zhijian zu dieser Thematik unter anderem: „Ma und Xu sind führende Spieler in unserem Team mit einer extrem großen Wettkampfstärke. Das Herrenteam wird nun mit dem Fehlen von vor allem Grand Slam-Sieger Ma Long bei der Weltmeisterschaft einer großen Herausforderung ausgesetzt. Im Vorausblick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris ist es notwendig, die jungen Spieler auf diesen Druck vorzubereiten und ihre Belastbarkeit und ihre Verantwortung bei internationalen Wettkämpfen zu trainieren.“ Eine durchaus bemerkenswerte Aussage.

Für Ma Long ist dies sicherlich bedauerlich, denn er hätte durchaus eine realistische Chance gehabt, als Erster eine 4. WM in Folge gewinnen zu können. Neben ihm haben es bisher in der modernen Tischtennisgeschichte nur Zhuang Zedong und Wang Nan geschafft, eine WM drei Mal in Folge zu gewinnen. Für Shiwen Liu dagegen wären die Chancen, ihren Titel zu verteidigen, nur relativ gering gewesen, denn dafür sind ihre Mannschaftskameradinnen Chen Meng, Wang Manyu und Sun Yinghsa in der Zwischenzeit einfach zu stark. Fehlen wird auch die Weltranglistensechste und Einzel-Vizeweltmeistern von 2017, Zhu Yuling, die zuletzt längere Zeit verletzt war.

Das Damenteam wird angeführt von Olympiasiegerin Chen Meng, die nun die einmalige Chance hat, mit dem Gewinn der WM alle vier großen Einzel-Titel der Tischtenniswelt zur gleichen Zeit in ihrem Besitz zu haben. Sie ist amtierende Olympiasiegerin, amtierende Worldcup-Siegerin und amtierende World-Tour-Grand-Finals Siegerin und hätte mit dem Gewinn des WM-Titels ein neues Stück Tischtennisgeschichte geschrieben. Ihre größten Rivalinnen dafür sind ihre Team-Kameradinnen Wang Manyu und Sun Yingsha. Vor allem Wang Manyu spielte zuletzt in einer Form wie von einem anderen Stern, ist bei den abschließenden Olympia-Trials, bei Olympia, bei den chinesischen Meisterschaften und in der Super-League komplett ungeschlagen geblieben und hat dabei auch ihre beiden großen Mitrivalinnen jeweils hoch ohne Satzverlust geschlagen. Aber auch Sun Yingsha war zuletzt in großer Form. Die Nominierungs-Plätze vier und fünf in den Einzeln gingen an Chen Xingtong und Wang Yidi. Beide haben sich das auch wirklich verdient, denn beide haben eine überragende Saison gespielt und gehören zweifellos ebenfalls zu den Top-Favoritinnen für Houston. Vor allem Chen Xingtong ist das zu gönnen, denn sie steht seit sieben Jahren fast ununterbrochen in den Top-Ten der Welt, hat aber aufgrund der großen Konkurrenz in China noch nie bei einer WM teilnehmen können. Als 6. Chinesin wurde Qian Tianyi nominiert, die Jugendweltmeisterin von 2018, eine weitere der so starken jungen chinesischen Tischtennis-Hoffnungen. Sie nimmt im Doppelwettbewerb an der Seite von Chen Meng teil. Li Sun, Head-Coach des Damenteams, äußerte sich, dass der Generationswechsel bei den Damen vollkommen gelungen sei und dass nun Chen Meng mit dem Versuch, den Grand Slam zu gewinnen, und Wang Manyu und Sun Yingsha mit dem Versuch, in allen drei Wettbewerben in Houston zu überzeugen, ein hoffentlich guter Start auf dem Weg zu Olympia 2024 gelingt.

Das Herrenteam wird nun von Fan Zhendong angeführt, der ja nach wie vor Weltranglistenerster bei den Herren ist und der nun natürlich unter einem noch stärkeren Druck steht, denn die meisten erwarten von ihm nach seinen vier World-Cup-Erfolgen nun seinen ersten WM-Sieg. Das wird aber sicherlich nicht einfach, denn vor allem die Konkurrenz im eigenen Lager ist groß, was man gerade auch bei den Spielen in der chinesischen Super League gesehen hat, wo er sich zweimal geschlagen geben musste. Als sein schärfster Rivale könnte sich Liang Jingkun erweisen, der einer jener Spieler ist, von dem er geschlagen wurde. Auch Wang Chuqin ist ein heißer Tipp, allerdings musste auch er zuletzt in China einige empfindliche Niederlagen hinnehmen. Lin Gaoyuan und Zhou Qihao sind als 4. und 5. Spieler für Houston qualifiziert. Vor allem der in der Weltrangliste an Platz vier geführte Lin Gaoyuan hatte zuletzt allerdings größere Probleme mit seinem Spiel und es wird abzuwarten sein, in welcher Form er sich in Houston präsentiert.

Die komplette Aufstellung des chinesischen Teams:
Damen: Chen Meng, Sun Yingsha, Wang Manyu, Chen Xingtong, Wang Yidi, Qian Tianyi
Damen-Einzel: Chen Meng, Sun Yingsha, Wang Manyu, Chen Xingtong, Wang Yidi
Damen-Doppel: Sun Yingsha/Wang Manyu, Chen Meng/Qian Tianyi

Herren: Fan Zhendong, Liang Jingkun, Wang Chuqin, Lin Gaoyuan, Zhou Qihao
Herren-Einzel: Fan Zhendong, Liang Jingkun, Wang Chuqin, Lin Gaoyuan, Zhou Qihao
Herren-Doppel: Fan Zhendong/Wang Chuqin, Lin Gaoyuan/Liang Jingkun

Mixed-Doppel: Sun Yingsha/Wang Chuqin, Wang Manyu/Lin Gaoyuan

Text: W.D.
Bild: Johannes Gohlke