OLYMPIA QUALIFIKATION: Drittes Turnier in Doha in vollem Gange



Die beiden Contender-Turniere in Katars Hauptstadt Doha sind Geschichte, doch es geht munter weiter am Persischen Golf mit spannendem Tischtennissport. Das Olympia-Qualifikationsturnier steht auf dem Programm. Seit Sonntag und bis einschließlich Mittwoch kämpfen 73 Spieler und 60 Spielerinnen aus aller Herren Länder um insgesamt maximal neun Plätze für Tokio, wo vom 23. Juli bis 8. August die Olympischen Sommerspiele – im letzten Jahr wegen Corona verschoben – stattfinden sollen. Zwar sind keine deutschen Teilnehmer am Start, dennoch handelt es sich um ein äußerst interessantes Turnier, bei dem es eben um richtig viel geht. Es folgt übrigens im Anschluss mit der Asiatischen Olympia-Qualifikation (18.-20.03.) ein viertes und letztes Bubble-Turnier in Doha.

Komplizierter Modus

Wir fokussieren uns natürlich auf das derzeitige Turnier und das hat es, schon vom Modus her, in sich, wobei es die Damen der Schöpfung, zumindest statistisch, einen Tick leichter haben als die Herren, sich für Olympia zu qualifizieren. Fünf Startplätze sind bei den Frauen zu vergeben, nur drei, maximal vier bei den Männern. Es beginnt mit Stage 1. Dort gibt es bei den Herren drei Turnierfelder, „Spots“ genannt. In diese wurden die von ihren nationalen Verbänden nominierten Spieler gelost. Es beginnt jeweils mit einem 32er-Feld im K.o.-System und geht bis zum Ende, bis der Sieger feststeht, der sich direkt für Tokio qualifiziert. Jeweils der Verlierer des Finales und die beiden Verlierer der Halbfinals in allen drei Tableaus erhalten in Stage 2 eine weitere Chance, also insgesamt neun Spieler. Diese spielen im K.o.-System den Sieger von Stage 2 aus. Jener qualifiziert sich möglicherweise für Olympia, doch das ist noch nicht ganz sicher.

Die 60 Damen wurden dagegen in vier „Spots“ aufgeteilt, deshalb können sie in Stage 1 gleich mit den Achtelfinals beginnen. Allen vier Gewinnerinnen werden wir in Tokio wieder begegnen. Zudem wird in Stage 2 ein fünftes Olympiaticket definitiv vergeben. Die vier Verliererinnen der Endspiele – die gescheiterten Halbfinalistinnen kommen nicht mehr zum Zuge – spielen in einer kleinen K.-o.-Runde, also Halbfinale und Finale, den fünften Startplatz für Olympia 2021 aus.

Am Sonntag gingen in Doha sowohl bei den Herren als auch bei den Damen die ersten beiden K.o.-Runden von Stage 1 über die Bühne. Die Herren fahren am Montag mit den Viertelfinals fort, die Damen sind, da im Achtelfinale gestartet, bereits eine Runde weiter und spielen ihre Halbfinals.

Jakub Dyjas muss Liam Pitchford im Duell der ehemaligen Ochsenhausener schlagen, um seine Chance auf das Olympia-Ticket zu wahren.

Pitchford oder Dyjas?

Im ersten Segment des Herren-Turniers kommt es am Montag zu folgenden Viertelfinalpartien: Liam Pitchford – Jakub Dyjas, Alvaro Robles – Lubomir Jancarik, Kou Lei – Marcelo Aguirre, Jann Mari Nayre – Niagol Stoyanov.

Zu den ersten drei Matches ist wenig zu sagen, drei aktuelle und drei ehemalige TTBL-Spieler. Mit dem topgesetzten Pitchford und Dyjas kommt es zu einem interessanten Duell der Ex-Ochsenhausener. Der bisher überraschend starke künftige Bad Homburger Lubomir Jancarik hatte in der 1. Runde ein lockeres Spielchen gegen einen Kenianer, musste dann aber im Achtelfinale gegen Kirill Gerassimenko ran und siegte überraschend mit 4:2 (11:6, 11:3, 5:11, 11:5, 9:11, 11:7).

Mit dem Ukrainer Kou Lei steht ein im Zwist geschiedener Ex-Grenzauer dem Werderaner Marcelo Aguirre gegenüber. Zum vierten Match ist zu erläutern, dass „Underdog“ Jann Mari Nayre von den Philippinen kommt und aktuell die Nummer 491 der Welt ist, während der für Italien spielende Niagol Stoyanov (WRL 102), bis 2005 für sein Geburtsland Bulgarien aufschlagend, allgemein bekannt ist. Sein Gegner Nayre hat im Achtelfinale immerhin nach dreimaligem Satzrückstand den namhaften Slowaken Lubomir Pistej (WRL 68) mit 4:3 besiegt.

Mühlhausen-Duell Habesohn vs. Ionescu   

In Spot 2 finden wir drei aktuelle und vier ehemalige Bundesligaspieler unter den letzten Acht. Dabei kommt es sogar zu einem Mühlhausener Klubduell. Die Matches lauten: Vladimir Sidorenko – Paul Drinkhall, Florent Lambiet – Mihai Bobocica, Daniel Habesohn – Ovidiu Ionescu, Bence Majoros – Abdullah Yigenler.

Daniel Habesohn sieht sich mit Ex-Vizeeuropameister Ovidiu Ionescu vereinsinterner Konkurrenz gegenüber.

Neu-Ulms Russe Sidorenko (WRL 186) zeigte sich am Sonntag in glänzender Form und warf Maberzells Weltklasse-Nigerianer Quadri Aruna (WRL 20) in sechs Sätzen aus dem Turnier. Doch mit dem Ex-Bremer und Ex-Bergneustädter Paul Drinkhall (WRL 56) hat Sidorenko nun einen unangenehmen und sehr routinierten Gegner vor der Brust. Bei Lambiet vs. Bobocica stehen sich ein Ex-Bremer aus Belgien (WRL 104) und ein Ex-Grenzauer aus Italien (WRL 125) gegenüber – Prognosen nahezu unmöglich. Beide wussten insbesondere im Achtelfinale zu gefallen, Lambiet bei seinem 4:1 über Noshad Alamyan, den besseren der beiden Alamyan-Brüder, Bobocica bei seinem völlig ungefährdeten 4:0 gegen den Ex-Grünwettersbacher Sathiyan Gnanasekaran aus Indien.

Mit dem Österreicher Habesohn (WRL 44) und dem Rumänen Ionescu (WRL 60) streiten sich zwei Postler aus dem thüringischen Mühlhausen um den Einzug ins Halbfinale. Das verspricht richtig interessant zu werden. Ionescu schaltete übrigens im Achtelfinale den Ex-Grenzauer Anders Lind mit 4:1 aus. In Match vier steht der ehemalige Bad Königshofener Majoros (WRL 60) dem Türken Yigenler (WRL 205) gegenüber. Der 23-jährige Ungar geht als leichter Favorit ins Spiel, sein Gegner profitierte vom kurzfristigen Ausfall Vladimir Samsonovs und hatte bisher lediglich ein Match gegen den Jordanier Zaid Abo Yaman (WRL 282) zu bestreiten, gegen den er sechs Sätze zum Sieg benötigte.

Bence Majoros will gegen Abdullah Yigenler das Halbfinale erreichen.

Gardos, Gionis und Wang streiten sich um Olympia-Ticket

Im dritten Tableau schließlich stehen drei Ex-Bundesligaspieler und drei ehemalige Zweitliga-Akteure unter den letzten Acht. Es spielen am Montag: Robert Gardos – Kirill Skachkov, Horacio Cifuentes – Panagiotis Gionis, Aliaksandr Khanin – Adam Szudi, Jesus Cantero – Wang Yang.

Der topgesetzte Österreicher Gardos ist trotz seiner 42 Jahre in der Weltrangliste immer noch ziemlich weit oben positioniert (Platz 24), sein Gegenüber, einst in Ochsenhausen und Bremen unter Vertrag, ist und bleibt ein Lust-und-Laune-Spieler, ein ewiges Talent ohne Konstanz, dafür aber vollkommen unberechenbar. Wenn er einen guten Tag hat, trifft er mit seiner Rückhand Wahnsinnsbälle in Serie, ansonsten kann es auch vorkommen, dass jeder zweite Ball irgendwo in der Prärie und der Rest im Netz landet. Der Weltranglisten-54. aus Russland hatte im bisherigen Turnier, also am Sonntag, ebensowenig einen „satisfaktionsfähigen“ Gegner wie der frühere Grenzauer Gardos.

Noch gut im Rennen: Panagiotis Gionis.

Gionis (WRL 49) kennt in Deutschland jeder. Der gelernte Zahnarzt aus Athen ist mit seinem virtuosen Defensivspiel auch mit 41 immer noch für große Darbietungen gut und besitzt durchaus realistische Chancen auf einen der begehrten Olympia-Startplätze. Der Gegner des Ex-Düsseldorfers ist hierzulande nicht so bekannt. Zu Unrecht. Der Argentinier Cifuentes (WRL 75) hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben gespielt und ist inzwischen einer der besten Südamerikaner. Ein Wunder, dass (anscheinend) noch kein TTBL-Klub ein Auge auf den 22-Jährigen mit der ausgesprochen starken Rückhand geworfen hat.

Zum Duell zweier Ex-Zweitligaspieler: Der Weißrusse Khanin (WRL 155) stand schon in Jülich unter Vertrag, sein Gegner Szudi (WRL 115), aktuell beim Champions Ligisten Walter Wels in Österreich aktiv, beim Dortmunder BVB. Beide glänzten am Sonntag. So ließ Khanin überraschend dem Tschechen Pavel Sirucek beim 4:0 keine Chance, während Szudi, ausgebildet und geformt im Ochsenhausener Liebherr Masters College, im Achtelfinale einen tollen Auftritt gegen den Belgier Cedric Nuytinck hatte, den er mit 4:1 aus dem Turnier warf. Nuytinck, früher mal beim Zweitligisten Saarbrücken aktiv, ist längst zum Leistungsträger beim Champions Ligisten Hennebont avanciert. In der 1. Runde hatte Szudi die Hoffnungen des vom polnischen Verband nachnominierten Samuel Kulczycki von den TTF Liebherr Ochsenhausen zunichte gemacht (wir berichteten über seine Nominierung und Ambitionen). Szudi gewann das Match mit 4:2 (13:11, 11:9, 8:11, 8:11, 15:13, 11:6) – der heftig umkämpfte fünfte Durchgang entschied letztlich das Duell zugunsten des Ungarn.

Adam Szudi warf Samuel Kulczycki und Cedric Nuytinck aus dem Turnier.

Der Spanier Cantero (WRL 189) mit dem wunderbaren Vornamen Jesus, neben Dang Qiu einer von verschwindend wenigen europäischen Penholderspielern von gehobenem Niveau, ist zumindest auf dem Papier krasser Außenseiter gegen den Ex-Frickenhausener Wang Yang (WRL 34), der international für die Slowakei aufschlägt. Viele bezeichnen den Abwehrspieler, der beim WTT Contender wegen andauernden Verstoßes gegen die Corona-Auflagen disqualifiziert wurde, als „verrücktes Huhn“, ein überaus emotionaler Spieler, der am Tisch bisweilen Urschreie ausstößt. Ob er die aber gegen Cantero „auspacken“ muss, der vom Spielsystem her arge Probleme mit Wang haben müsste, steht in den Sternen. Unterschätzen sollte man den Iberer indes nicht, der am Sonntag zwei richtig gute Auftritte hinlegte. Zunächst zerlegte er den Grenzauer Cristian Pletea (4:0), anschließend behauptete er sich gegen den Mexikaner Marcos Madrid in sechs Durchgängen – Madrid ist auch ein Spieler, der bei uns kaum im Fokus steht, jedoch nicht zufällig auf Weltranglistenplatz 76 notiert ist.

Britt Eerland auf gutem Kurs

Mit Europas Nummer fünf Britt Eerland vom ttc berlin eastside (Weltrangliste Platz 27) steht in ersten Feld eine der großen Favoritinnen unter den letzten Vier. Die Gegnerin der topgesetzten Holländerin, die Chilenin Paulina Vega (WRL 74), ist ohne Frage Außenseiterin. Das zweite Semifinale bestreiten die Spanierin Galia Dvorak (WRL 77) und die erst 16-jährige indischstämmige Französin Prithika Pavade (WRL 396) – die junge Linkshänderin konnte immerhin die Weiler Bundesligaspielerin Polina Trifonova (4:2) und anschließend mit der Tschechin Hana Matelova eine bis 2018 in Bingen recht erfolgreiche Ex-Bundesligaspielerin in sieben spannenden Sätzen ausschalten. Dvorak hielt unter anderem mit der Italienerin Giorgia Piccolin eine aktuelle Bingener Spielerin in Schach, die in einem echten Krimi mit 4:3 geschlagen wurde.

Scheiterte in Runde 1: Polina Trifonova (ESV Weil).

Pesotska mit guten Olympia-Chancen

In Spot 2 steht mit der Ukrainerin Margaryta Pesotska (Linz AG Froschberg, WRL 32) ebenfalls die topgesetzte Spielerin im Halbfinale. Sie duelliert sich mit Rose Jean Fadol (Philippinen, WRL 530), die eine Spielerin aus Katar sowie sensationell auch die Italienerin Debora Vivarelli (WRL 71) bezwang. Gegen Pesotska dürfte sie aber chancenlos sein. Das zweite Halbfinale bestreiten die schwedische Defensivspielerin Linda Bergström (WRL 80) und überraschend die Mexikanerin Silva Yadira (WRL 135), die immerhin Ex-Bundesligaspielerin Barbora Balazova (Slowakei) in sechs Sätzen ausschalten konnte.

Die Ex-Bad-Driburgerin Sarah de Nutte dürfte gegen Suthasini Sawettabut nicht ganz ohne Chance sein.

Defensivkünstlerin Mikhailova auf dem Weg ins Finale?

Kommen wir zu Spot 3: Dort hat sich erwartungsgemäß die Thailänderin Suthasini Sawettabut (WRL 41) für die Runde der besten Vier am Montag qualifiziert. Ihr Halbfinal-Match könnte interessant werden, da ihr mit der Luxemburgerin Sarah de Nutte (WRL 76), bis letzte Saison beim TuS Bad Driburg unter Vertrag, der sein Team dann als Vizemeister zurückzog, eine sperrige Gegnerin gegenübersteht. Im zweiten Semifinale duellieren sich die russische Abwehrspielerin Polina Mikhailova (WRL 46), die auch schon in Berlin unter Vertrag stand, und die Weißrussin Nadezhda Bogdanova (WRL 104), die vor der Saison von Bingen als neue Nummer 3 verpflichtet wurde, jedoch aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht ein einziges Mal zu einem Spiel einreisen konnte.

Langnoppenspielerin Yang Xiaoxin (Monaco) will nach Tokio und könnte das auch schaffen.

Monaco-Ass Yang Xiaoxin in der Favoritenrolle

Bleibt noch Tableau Nummer vier: Mit der China-Monegassin Yang Xiaoxin (WRL 44) hat es auch hier die an Position eins gesetzte Spielerin geschafft, ins Halbfinale einzuziehen. Dort kommt es zum Duell zweier Langnoppenspezialistinnen. Yang, die mit ihren langen Noppen auf der Rückhand ungewöhnlich offensiv spielt, hat mit der Inderin Manika Batra (WRL 63) eine äußerst unangenehme Spielerin zur Kontrahentin. Batra spielt mit ihrem Noppenbelag wesentlich defensiver als Yang, die immer hohes Risiko geht. Das zweite Halbfinale bestreiten die seit 2012 international für Spanien aktive Linkshänderin Maria Xiao – zuvor schlug die heute 26-jährige Linkshänderin für Portugal auf – und die Russin Yana Noskova (WRL 60), die beim Star Contender keine Geringere als Han Ying nach der 2. Hauptrunde nach Hause schickte.

Der Montag verspricht bei den Herren und Damen eine Reihe interessanter Matches – dazu braucht es eben nicht zwingend eine Beteiligung von Assen des Deutschen Tischtennis-Bundes.

Ergebnisse Olympia Qualifikation

Beitragsbild oben: Robert Gardos ist mit 42 immer noch international erfolgreich und rechnet sich gute Chancen auf ein Tokio-Ticket aus.

Text & Fotos (9): Dr. Stephan Roscher