Geistig behinderter TT-Sportler zur Europameisterschaft nach Tschechien



Der Deutsche Meister in der Startklasse 11 (geistige Behinderung), Hartmut Freund, nimmt nicht an der WM des Tischtennis-Weltverbands ITTF im Behindertensport teil, dafür aber im Oktober an der Europameisterschaft des Weltverbands INAS in Tschechien.

INAS ist der Weltverband für Leistungssportler mit einer geistigen Behinderung.

Freund hatte sich für die WM qualifiziert, die im September stattfindet, wurde vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) aber nicht nominiert, der ausschließlich körperbehinderte Sportler zu den Titelkämpfen in China entsandte.

Der Bietigheimer gilt als der Sportler mit der schwersten geistigen Behinderung in der Weltspitze. „Als INAS davon hörte, dass Hartmut nicht nach Peking fliegen darf, lud der Verband ihn spontan zu seiner EM ein“, erläutert der Bruder und gesetzliche Betreuer des Sportlers, Norbert Freund. „Allerdings müssen wir die Kosten für diese Titelkämpfe komplett selbst tragen, weshalb wir für jede finanzielle Unterstützung von Dritten sehr dankbar sind. Wir haben neben den Kosten des Sportlers auch die Ausgaben für meinen Vater und mich als Betreuer zu finanzieren.“ Kurz vor der EM wird Hartmut Freund, der im Nichtbehindertensport für den TTC Bietigheim-Bissingen antritt und von der früheren Bundesligaspielerin Szilvia Kahn trainiert wird, ein Weltranglistenturnier der ITTF an der Cote d’Azur bestreiten.

Am Wochenende sorgte Freund bei den baden-württembergischen Meisterschaften im Behindertensport für Furore. In Aichwald bei Esslingen holte der Bietigheimer in der Konkurrenz mit den stärksten körperbehinderten Sportlern sowohl im Einzel als auch im Doppel Bronze. Nachdem er überraschend den Halbfinalisten der Deutschen Meisterschaft bei den Körperbehinderten, Jannik Schneider (TTR-Wert 1640), glatt in drei Sätzen aus dem Rennen geworfen hatte, musste er sich nur dem Deutschen Meister der Körperbehinderten von 2013, Michael Roll, und dem Medaillengewinner der Senioren-Weltmeisterschaft im Nichtbehindertensport, Gerd Werner, geschlagen geben. Gegen Werner (TTR-Wert 1873), der später das Finale gegen Roll gewann, hatte Freund sogar eine echte Sensation auf dem Schläger, unterlag aber nach großem Kampf ganz knapp im fünften Satz. Die zweite Medaille holte er mit seinem körperbehinderten Doppel-Partner Holger Steinle vom TSV Schmiden.

Freund hat einen TTR-Wert von 1460. Aufgrund der Schwere seiner Behinderung weiß er im Wettkampf nie, wie es gerade steht und wer Aufschlag hat. Der 46-jährige Bietigheimer hat es bei internationalen Turnieren in seiner Startklasse fast ausschließlich mit lernbehinderten Gegnern zu tun, die oftmals einen Führerschein haben und über Fremdsprachenkenntnisse verfügen. „Unter den Sportlern mit einer klassischen geistigen Behinderung ist Hartmut weltweit die Nr. 1“, sagt sein Bruder Norbert Freund, der ihn bei internationalen Turnieren auch coacht. Der DBS hatte sich im vergangenen Jahr auf der Generalversammlung des Weltverbands INAS erfolgreich für eine zweite Startklasse für Sportler mit einer klassischen geistigen Behinderung eingesetzt. Ein entsprechender Antrag des deutschen Verbandes wurde mit großer Mehrheit angenommen, bisher aber noch nicht in die Praxis umgesetzt.

 

Links

Homepage des Weltverbandes INAS

DBS-Antrag zur Einführung einer 2. ID-Klasse

Facebook-Fanpage von Hartmut Freund

 

Text: Norbert Freund

Foto: Oliver Langohr