Ambitionen aber kein Druck: Vorfreude beim TSV Langstadt



Die Verantwortlichen des TSV Langstadt blicken der Bundesliga-Premiere entspannt entgegen. Die Mannschaft ist gut aufgestellt und am Ende der Saison muss kein Klub absteigen. Doch selbst wenn es Absteiger gäbe, müsste man sich mit dieser Truppe keine Sorgen machen.

Manfred Kämmerer, Sportlicher Leiter des Zweitligameisters, den vor der letzten Saison kaum einer als Topteam des Unterhauses auf der Rechnung hatte, gab unlängst auf einer Pressekonferenz zur neuen Spielzeit zu Protokoll: „Die Rückrunde in der 2. Liga ist für uns mit 17:1 Punkten optimal verlaufen. Dennoch war uns klar, dass wir mit unserer Mannschaft in der Bundesliga keine Chance haben werden und wir uns verstärken müssen.“ Kämmerer, dessen Tochter Janina selbst zur Aufstiegsmannschaft gehört und kommende Saison zum erweiterten Erstligakader zählt, fügte hinzu: „Wir arbeiten zwar gern mit Spielerinnen aus dem näheren Umkreis oder zumindest aus Hessen zusammen, aber wir mussten das Konzept aufweichen, da die besten Hessinnen sowieso schon bei uns spielen.“

Deshalb wurde mit Petrissa Solja – zuletzt beim dreimaligen Triple-Sieger ttc berlin eastside unter Vertrag – die wohl talentierteste deutsche Nationalspielerin unter Vertrag genommen. Die 24-Jährige Weltranglisten-42. war gerade frei, da mit ihrem alten Klub die Chemie nicht mehr stimmte. Sie passt als neue Nummer eins optimal ins Konzept der Südhessen und ist nicht zuletzt deswegen bezahlbar, da sie längst nicht alle Partien für ihren neuen Verein bestreiten wird. „Sie will zu den Olympischen Spielen 2020 nach Tokio, wird zudem einige internationale Turniere spielen, um Punkte für die Weltrangliste zu ergattern. Sie wird für uns nicht alle Spiele machen können.“

Aus diesem Grund wollte man eine weitere Topspielerin haben und hat die 25-jährige Taiwan-Chinesin Cheng Hsien-Tzu (Weltrangliste Platz 49) aus der französischen Pro-A verpflichtet in der Hoffnung, dass wenigstens eine international erfahrene Spielerin in jeder Partie für den TSV aufschlägt. Ob das zu realisieren ist, ist indes noch offen. Und ob bisweilen auch beide gemeinsam zum Einsatz kommen werden, ist auch noch nicht entschieden.

Hinzu kommt, an Position 3 gemeldet, die erst 18-jährige indische Nationalspielerin Archana Girish Kamath, die bereits dem Zweitliga-Kader angehörte, aber nur sporadisch zur Verfügung stand. Auf wie viele Einsätze sie kommen wird, ja ob sie überhaupt spielen wird, ist noch nicht entschieden. Und dann folgt ab Position 4 die eigentliche Aufstiegsmannschaft mit Alena Lemmer, Monika Pietkiewicz, Janina Kämmerer und Anne Bundesmann.

Kämmerer und Bundesmann sind an den Spitzenpositionen der in die 3. Liga Nord aufgestiegenen 2. Mannschaft gemeldet und werden je nach Bedarf dort sowie in der deutschen Topliga aufschlagen. Das 15-jährige indische Toptalent Diya Chitale hat den TSV indes Richtung Berlin verlassen, wie man bedauernd zur Kenntnis nehmen musste.

Dafür hat man mit dem ehemaligen Damen-Bundestrainer Tobias Beck, der aus der Region kommt und kommende Saison beim Regionalligisten Seligenstadt spielen wird, einen namhaften und erfahrenen Trainer verpflichtet. „Ja, wir sind gut dabei“, sagt Kämmerer nicht ohne Stolz.

Würden Solja und Cheng ständig spielen, wäre der Bundesliga-Newcomer hinter Berlin, das eigentlich gar nicht anders kann, als Champion zu werden, und zusammen mit Kolbermoor Mitfavorit auf die Vizemeisterschaft. Doch auch so darf man den Hessinnen einiges zutrauen, zumal ein frischer Wind durch den Verein geht und die Begeisterung in Langstadt groß ist. Die Vorfreude auf die Debütsaison im Oberhaus ist bereits jetzt zu spüren, auch wenn es noch neun Woche dauert, bis es soweit ist – am 15.09. startet man in die Runde mit dem Heimspiel gegen Böblingen und darf mit einer mit über 300 Fans bis auf den letzten Platz gefüllten Halle rechnen.

Zuvor will man natürlich in der Pokal-Qualifikation in Seligenstadt (02.09.) erneut Akzente setzen – schließlich hatte man es 2017/18 als erster Zweitligist der Tischtennis-Geschichte geschafft, ins Final Four einzuziehen. Allerdings hat man eine Hammergruppe erwischt und muss sich mit Kolbermoor sowie dem starken Zweitligisten Weil auseinandersetzen.

In der Liga peilt man einen Platz unter den besten Sechs an, um in die Play-offs einzuziehen. Das sollte zu schaffen sein, wird jedoch nicht als Pflicht angesehen. „Wir würden natürlich gerne in die Saisonverlängerung gehen. Wenn das nicht klappt, geht die Welt aber nicht unter“, sagt Kämmerer. Für ihn sind der ttc berlin eastside und Meister SV DJK Kolbermoor als Nummer eins und zwei gesetzt. „Von den Plätzen drei bis acht kann hingegen jeder jeden schlagen“, prognostiziert er mit Blick auf die Langstädter Ligarivalen TTK Anröchte, TTC Bingen/Münster-Sarmsheim, TV Busenbach, SV Böblingen und TuS Bad Driburg.

In der vergangenen Saison lag der TSV mit gut 150 Zuschauern pro Heimspiel auf Platz drei in Deutschland – und das als Zweitligist. „Bei uns in der Halle ist echt was los, das spricht sich herum“, freut sich Marketingleiter Rainer Kegelmann. „Da wir weit und breit der einzige Erstligist sind und wir eine Petrissa Solja haben, rechnen wir mit einer deutlichen Steigerung.“ Dem trägt man insofern Rechnung als man künftig in der Langstädter Markwaldhalle durch den Aufbau zusätzlicher Stehtribünen maximal 330 Zuschauer unterbringen kann.

Der Erstliga-Aufstieg hat den Langstädtern auch neue Sponsoren eingetragen. Lotto Hessen ist als Premiumpartner eingestiegen. „Die Bundesliga kostet wesentlich mehr als die 2. Liga. Wir haben jetzt ein Budget im mittleren fünfstelligen Bereich, das ist mehr als das doppelte der vergangenen Saison. Wir dürften finanziell trotzdem die Ärmsten sein“, so Kegelmann ohne konkrete Zahlen zu nennen. Nichtsdestoweniger sei es dem Verein wichtig, grundsolide zu wirtschaften. „Bei uns ist alles seriös finanziert. Und trotz Bundesliga werden wir die Jugend nicht vernachlässigen.“


Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher