2. BUNDESLIGA Damen: 14-jährige Inderin macht den Unterschied



Sie ist gerade 14 und vielleicht 1,45 Meter groß – und doch überragt sie im Tischtennissport bereits sehr, sehr viele. Dank der Inderin Diya Parag Chitale behielt Langstadt in einem merkwürdigen und zugleich bemerkenswerten Spiel beide Punkte gegen Offenburg.

Das Phänomen Chitale

Diya Chitale ist eigentlich nur Ersatzspielerin beim südhessischen Zweitligisten und schlägt im Normalfall in der Regionalligatruppe im vorderen Paarkreuz auf, wo sie kaum einmal verliert. Sie könnte ohne Weiteres auch schon fest im Unterhaus des deutschen Mannschaftstischtennis spielen, doch so ist es noch besser für sie, weil sie hier möglichst viel Wettkampfpraxis erhalten und sich rasch weiterentwickeln soll. Da kommen die vielen Einsätze in zwei Spielklassen gerade recht. Gegen Offenburg war sie ins Langstädter Aufgebot gerückt, da Anne Bundesmann nach ihrer OP noch etwas Zeit benötigt, um wieder voll einsatzfähig zu sein.

Chitale wird für eine große Tischtenniskarriere vorbereitet – und die ist nicht unwahrscheinlich. Daran glaubt auch Peter Engel, Ex-Nationaltrainer Indiens und aktueller HTTV-Verbandstrainer, der sie im Frankfurter Leistungszentrum trainiert und sieben Monate im Jahr zur Verfügung hat. Engel, der inzwischen in Frankfurt auch einen gar nicht mehr so kleinen indischen Talentschuppen betreut („Sie bewerben sich bei mir mit Bildern, Videos und Lebenslauf, um hier trainieren zu dürfen“), über seinen besonderen Schützling: „Diya ist ein ganz großes Talent und kann weit nach oben kommen.“ Immerhin ist sie in den letzten Monaten bereits auf Platz 23 der U15-Weltrangliste emporgeschnellt.

Und sie geht völlig unbekümmert an den Tisch, auch wenn Hunderte Augenpaare auf sie gerichtet sind, nimmt von den Gegnerinnen kaum Notiz und zieht einfach ihr Ding durch. Und wenn sie trifft, bevorzugt mit der extrem starken Vorhand, wächst da kein Gras mehr. Gelegentlich verliert sie den Faden, dann gehen mal fünf, sechs Punkte in Folge weg und eventuell geht auch ein Satz flöten, doch spätestens im nächsten Durchgang ist sie wieder mittendrin statt nur dabei und trifft in Serie. Prädikat äußerst sehenswert.

Offenburg kämpft sich trotz Handikaps ins Schlusseinzel

Dass es eine enge Angelegenheit werden würde und Diya Chitale doppelt glänzen könnte, war zunächst nicht abzusehen, da Offenburg einige Handikaps mitbrachte, die auf einen schnellen Langstädter Sieg hindeuteten. Der Gegner aus Südbaden war ohne seine neue Spitzenspielerin, die 17-jährige Russin Kristina Kazantseva, angereist. Zudem musste die etatmäßige Nummer zwei, Lena Krapf, letzte Saison noch „um die Ecke“ in Münster zwei Klassen tiefer aktiv, zuschauen. “Ich hatte wegen einer Schulterverletzung, die ich mir vor ein paar Tagen im Training zugezogen hatte, vom Arzt Sportverbot erhalten“, so Krapf. „Schade, ich hätte gerade hier in meiner Heimat sehr gerne gespielt.“

Offenburg ließ Krapf ihre beiden Einzel abschenken, damit niemand aufrücken musste. Eine zulässige taktische Maßnahme, die aber nicht auf allzu viel Sympathie in Langstadt stieß, da der Gast vier fitte Spielerinnen mitgebracht hatte, die auch die Doppel bestritten. Dazu äußerte sich auch TSV-Coach und -Mannschaftsführer Manfred Kämmerer: “Das ist natürlich nach den Regeln legitim. Für die Zuschauer bedeutet es allerdings zwei Spiele weniger. Das hinterließ doch auch bei dem einen oder anderen Zuschauer etwas Unverständnis“.

Auch wenn das Team aus Südbaden mit Schülerinnen-Nationalspielerin Jana Kirner eine sehr gute Ersatzspielerin dabei hatte, rechnet lange keiner damit, dass es bis ins letzte Einzel gehen würde. Doch hatten Alena Lemmer und Janina Kämmerer aus dem erfolgreichen Langstädter Pokal-Trio nicht ihren besten Tag erwischt – Lemmer sah gegen Theresa Lehmann kein Land und Kämmerer musste sowohl Jana Kirner als auch Petra Heuberger gratulieren. So kam Offenburg nach 2:5-Rückstand nochmals gefährlich heran.

Doch Megatalent Diya Chitale holte eben die Kohlen aus dem Feuer und rettete dem TSV den ersten Saisonsieg. Die auf Vermittlung des Bad Homburger Zweitligaprofis Sanil Shetty nach Hessen gekommene Inderin begeisterte gegen Heuberger (3:1) und Kirner (3:2) mit schnellem, aggressivem Angriffsspiel und intuitiven Schlägen. Dabei hatte der kleine Tischtennis-Wirbelwind aus Südasien tags zuvor noch krankheitsbedingt einen HTTV-Lehrgang abbrechen müssen. Manfred Kämmerer: „Ich war froh, dass sie überhaupt spielen konnte. Wie sie dann aber die Zuschauer in ihren Einzelspielen begeisterte, war sensationell. Sie ist inzwischen ein echter Publikumsliebling in Langstadt geworden.“

TSV-Neuzugang Monika Pietkiewicz will etwas dazulernen und oben mitspielen

Spitzenspielerin Monika Pietkiewicz, die im Doppel und Einzel punktete, sagte: “Wichtig ist nur der Sieg, ich bin aber überzeugt, dass wir alle viel besser spielen können als heute.” Selbstkritisch stellte die ehemalige polnische Nationalspielerin fest: “Meine Leistung heute war nicht sehr gut, ich war aber auch ein bisschen nervös bei meiner Premiere hier vor ziemlich vielen erwartungsvollen Zuschauern.“ Sie fügte hinzu: „Ich war aber auch noch etwas müde vom Lehrgang, von dem ich direkt gekommen bin, und dem vielen Hin- und Herfahren, habe gerade erst eine Wohnung in Offenbach bezogen und muss das alles noch effektiver organisieren.“

Die Linkshänderin, die ein tadelloses, akzentfreies Deutsch spricht („alles in zwei Jahren bei Hannover 96 gelernt“) ergänzte: „Im Pokal war es ein toller Einstieg für uns mit den zwei Siegen über Erstligisten. Aber in der Liga ist das wieder eine ganz andere Sache. Bisher konnte ich die deutsche 2. Liga noch nicht so recht einschätzen, nun weiß ich aber, dass das Niveau recht hoch ist. Man muss da sehr aufpassen, sonst hat man schnell eines oder zwei Matches verloren.“ Doch das ist ganz nach dem Geschmack der 34-Jährigen: „Ich lerne jeden Tag etwas dazu und freue mich auf Neues, Überraschendes. So wird es nie langweilig – im Tischtennissport und im richtigen Leben.“

In Langstadt gefällt der seit dieser Saison dem Trainerteam des HTTV angehörenden Ex-Nationalspielerin ihres Landes, „dass hier so viele beteiligt sind und etwas im Verein machen, nicht nur ein, zwei Leute, wie in vielen anderen Klubs. Das ist tatsächlich hier wie eine große Familie.“ Mit fünf Jahren hat sie mit dem Tischtennis angefangen, ihr Vater, selbst Tischtennistrainer, bildete sie in den ersten Jahren aus. Und sie hat noch lange nicht die Nase voll, ihr Ehrgeiz ist ungebrochen: „Wenn ich am Tisch stehe, will ich gewinnen, wenn ich mit der Mannschaft spiele, will ich, dass die Mannschaft gewinnt. Und wir haben ein gutes Team und starke Ersatzspielerinnen hinten dran. Ich hoffe, dass wir oben in der Liga mitspielen können. Mit dem Mittelfeld möchte ich mich nicht zufrieden geben, man braucht immer eine Vision und ein klares Ziel vor Augen.“

Offenburg verpasst Überraschungs-Punkt im Abstiegskampf

Für die DJK Offenburg gibt es nur ein Saisonziel, nämlich die Klasse zu halten. Und auf dem Weg dorthin hätte man ein Remis in Langstadt natürlich gerne mitgenommen, zumal man einen Punktgewinn in Hessen überhaupt nicht auf der Rechnung hatte. Aber ein Satz fehlte am Ende nach bravourösem Kampf zum großen Wurf.

Auch die Hessin in südbadischen Diensten hätte sich ein Remis gewünscht: “Wir kämpfen um den Klassenerhalt, da wäre ein Punkt hier natürlich toll gewesen“, so Lena Krapf. „Und am Ende waren wir ja ziemlich nah dran, obwohl wir in den Einzeln nur zu dritt gespielt haben. Schade!“

Langstadt empfängt am 28.10. die Leutzscher Füchse und geht favorisiert ins Rennen, zumindest wenn Diya Chitale wieder ihre Künste zeigen darf. Doch auch mit der wieder genesenen Sonja Busemann an Position vier, die einst selbst das Leipziger Trikot trug, sollte ein doppelter Punktgewinn möglich sein. Offenburg trifft am selben Tag in heimischer Halle auf den Tabellenzweiten Weinheim – mit Jennie Wolf und Luisa Säger, letzte Saison selbst noch im DJK-Dress, gut verstärkt –, gegen den man klarer Außenseiter ist.


Spielbericht Langstadt vs. Offenburg 6:4

 

TSV 1909 Langstadt

DJK Offenburg

1. Satz

2. Satz

3. Satz

4. Satz

5. Satz

Sätze

Spiele

D1-D1

Pietkiewicz, Monika
Kämmerer, Janina

Heuberger, Petra
Schwarz, Alisa

11:5  

18:16  

11:5  

 

 

3:0  

1:0  

D2-D2

Lemmer, Alena
Chitale, Diya Parag

Lehmann, Theresa
Kirner, Jana

7:11  

11:7  

11:13  

4:11  

 

1:3  

0:1  

 

1-2

Pietkiewicz, Monika

Lehmann, Theresa

11:8  

11:3  

11:9  

 

 

3:0  

1:0  

 

2-1

Lemmer, Alena

Krapf, Lena

11:0  

11:0  

11:0  

 

 

3:0  

1:0  

 

3-4

Kämmerer, Janina

Kirner, Jana

11:7  

12:14  

11:8  

8:11  

5:11  

2:3  

0:1  

 

4-3

Chitale, Diya Parag

Heuberger, Petra

11:8  

12:14  

15:13  

11:4  

 

3:1  

1:0  

 

1-1

Pietkiewicz, Monika

Krapf, Lena

11:0  

11:0  

11:0  

 

 

3:0  

1:0  

 

2-2

Lemmer, Alena

Lehmann, Theresa

5:11  

9:11  

11:13  

 

 

0:3  

0:1  

 

3-3

Kämmerer, Janina

Heuberger, Petra

11:9  

7:11  

7:11  

3:11  

 

1:3  

0:1  

 

4-4

Chitale, Diya Parag

Kirner, Jana

11:5  

10:12  

11:8  

10:12  

11:3  

3:2  

1:0  

 

 

Bälle: 374:295  

22:15

6:4

 

2. Bundesliga Damen, Ergebnisse vom Wochenende

TTK Großburgwedel – MTV Tostedt 6:4

TSV Langstadt – DJK Offenburg 6:4

TTC Weinheim – LTTV Leutzscher Füchse 6:1

 

Tabelle

 

Rang

Mannschaft

Begegnungen

S

U

N

Spiele

+/-

Punkte

 

1

TSV Schwabhausen

3

3

0

0

18:8

+10

6:0

 

2

TTC 1946 Weinheim

3

2

1

0

17:8

+9

5:1

 

3

TTK Großburgwedel

5

2

1

2

22:23

-1

5:5

 

4

TuS Uentrop

2

2

0

0

12:5

+7

4:0

 

5

ESV Weil

2

1

0

1

10:9

+1

2:2

 

6

TSV 1909 Langstadt

2

1

0

1

9:10

-1

2:2

 

7

ATSV Saarbrücken

3

1

0

2

9:16

-7

2:4

 

8

MTV Tostedt

4

1

0

3

16:19

-3

2:6

 

9

DJK Offenburg

4

1

0

3

16:21

-5

2:6

 

10

LTTV Leutzscher Füchse 1990

4

1

0

3

11:21

-10

2:6

 

Text & Fotos (9): Dr. Stephan Roscher