POKAL FINAL FOUR: Underdog Hilpoltstein will Duftmarke setzen



Zweitligist TV Hipoltstein wird am Sonntag beim Liebherr Pokal-Finale in Neu-Ulm das erste Mal in der Vereinsgeschichte vor 3.500 bis 4.000 Zuschauern spielen und die meisten neutralen Besucher sowie mindestens 260 mitreisende Fans hinter sich haben.

War es früher der SV Plüderhausen, der ein ums andere Mal bei Pokal-Endrundenturnieren mit der „gelben Wand“ Akzente in Sachen Fan-Support setzte, dürfte diesmal der TVH in diese Rolle schlüpfen. In vier Charterbussen sowie zahlreichen PKW wird sich die mittelfränkische Fan-Armada aus der 13.000-Einwohner-Gemeinde südlich von Nürnberg in Bewegung setzen, um in der ratiopharm arena einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Das hat sich der Underdog, der im Achtelfinale den Zweitliga-Rivalen Borussia Dortmund und im Viertelfinale überraschend Ex-Meister SV Werder Bremen ausschaltete, auch redlich verdient. Man kann nur hoffen, dass der herbe Wintereinbruch besonders in Deutschlands Süden der geplanten Hilpoltsteiner Fan-Prozession keinen Strich durch die Rechnung macht.

Für das Turnier selbst, das am Sonntag ab 11 Uhr mit den Halbfinal-Partien beginnt, wurden im Vorverkauf circa 3.000 Karten abgesetzt – an der Tageskasse wird es weitere Tickets geben, wer das Event live erleben möchte, kann also in jedem Fall in der Halle „mittendrin statt nur dabei“ sein.

Da sich der eigentliche Platzhirsch TTF Liebherr Ochsenhausen nicht qualifizieren konnte, wird der Hilpoltsteiner Support der mit Abstand mächtigste und stimmgewaltigste sein, zumal Topklubs wie Düsseldorf und Saarbrücken bekanntermaßen nicht gerade Fanmassen mobilisieren, wenn es sich um weite Fahrten in die Fremde handelt. Der Post SV Mühlhausen, trotz guter Leistungen in der TTBL und seines bärenstarken Neuzugangs Daniel Habesohn überraschend in der Endrunde vertreten, da kein Geringerer als Vorjahres-Finalist Fulda-Maberzell aus dem Wettbewerb geworfen werden musste, wird dagegen vermutlich den zweitgrößten Fanblock stellen – die Anhänger der Thüringer gelten als durchaus reisefreudig.

Für die Hilpoltsteiner, die nach einer tollen Saison 2015/16 aktuell im Unterhaus des deutschen Tischtennissports nur zwei Zähler vor einem Abstiegsrang liegen, ist das Final Four das Highlight der Vereinsgeschichte. Manager Bernd Behringer unterstreicht dies: „Es ist der reine Wahnsinn. Ein Wunder, dass wir überhaupt dabei sind!“

Zudem freut man sich auf das prominenteste Team im Teilnehmerfeld, Rekordmeister Borussia Düsseldorf, der in der ratiopharm arena seinen 67. Titel sowie den 25. nationalen Pokalsieg unter Dach und Fach bringen will. Zudem wäre es der fünfte Pokalsieg der Rheinländer in Folge – ein Novum in der deutschen Tischtennis-Geschichte – sowie der zehnte deutsche Cup-Gewinn in der Karriere Timo Bolls. Alles ziemlich rekordverdächtig, wie man sieht.

Doch das ficht die Mittelfranken nicht an. Gegen den „FC Bayern des Tischtennissport“ einmal in einem Pflichtspiel antreten zu können – und das in einem Halbfinale um die Deutsche Pokalmeisterschaft vor großer Kulisse -, ist aus Hilpoltsteiner Sicht nicht zu toppen. „Das war unser absolutes Traumlos“, versichert Beringer glaubhaft.

Der TVH, mit im Schnitt 282 Zuschauern pro Heimspiel ohnehin recht beliebt und in dieser Hinsicht die Nummer zwei der 2. Liga hinter Bad Königshofen (392), spielte 1986 mit seiner ersten Mannschaft noch in der Kreisliga und startete dann einen beispielhaften Marsch nach oben. Genießen, einfach genießen wollen sie am Sonntag die Atmosphäre in der schmucken Arena und besonders den Auftritt gegen Boll und Kollegen.

Alexander Flemming, Nummer eins des krassen Außenseiters und als „Heißläufer“ bei Top-Veranstaltungen bekannt, traf vor vier Jahren im Einzel-Meisterschafts-Halbfinale auf den derzeitigen Weltranglisten-Elften. „Es ist, als stünde eine Mauer auf der anderen Seite“, zeigte sich der rotblonde Sachse nach seiner „standesgemäßen“ Niederlage reichlich beeindruckt. Anders und durchaus kämpferisch formuliert es Bernd Beringer: „Wir haben keine Chance gegen Düsseldorf, aber die wollen wir nutzen.“

Sportlich gesehen scheint das diesjährige Final Four, zumindest im Vorfeld betrachtet, nicht allzu aufregend zu werden. Natürlich hat der Pokal seine eigenen Gesetze, wie sich auf dem Weg ins Endrunden-Turnier wieder mehrfach gezeigt hat. Wenn jedoch in Neu-Ulm, das übrigens bayerisches Territorium ist und nicht zum „Ländle“ gehört, alles so eintritt wie erwartet, dürfte es zum Finale Düsseldorf vs. Saarbrücken kommen, falls nicht Mühlhausen in der Vorschlussrunde über sich hinauswächst. Und gegen Boll und Co. spielt der 1.FCS im Normallfall gefällig mit, gewinnt aber kaum. Allerdings sind die Saarländer mit Patrick Franziska und Patrick Baum besser besetzt als in den Jahren zuvor – Franziska, der Boll in der Liga geschlagen hat, wird jedoch unseren Informationen zufolge verletzungsbedingt nicht spielen können. Und auch Düsseldorf steht mit den Neuzugängen Kristian Karlsson und Stefan Fegerl sowie dem zuletzt gegen Ochsenhausen auftrumpfenden Youngster Anton Källberg besser da als je zuvor.

Überdies kann man es durchaus zwiespältig sehen, die Auslosung für das Final Four schon Wochen vorher vorzunehmen, so dass sich die Gegner gedanklich allzu lange aufeinander einstellen können. Eine Auslosung in der Arena, 30 oder 45 Minuten vor Turnierbeginn von einer attraktiven Glücksfee vorgenommen, würde für ungleich mehr Prickel sorgen.

Dennoch gilt: Alles ist angerichtet, freuen wir uns auf das Final Four 2016/17!


Liebherr Pokal-Finale 2016/17

Sonntag, 15.01., 11:00 Uhr, Halbfinals

TV 1879 Hilpoltstein – Borussia Düsseldorf

Post SV Mühlhausen – 1. FC Saarbrücken-TT

15.00 Uhr: Finale

 

Text & Fotos (3): Dr. Stephan Roscher