GERMAN OPEN: Ma Long spielt alle in Grund und Boden



Die ITTF World Tour German Open in Berlin sind nach fünf ereignisreichen Tagen mit dem Turniersieg des überragenden Weltmeisters Ma Long zu Ende gegangen, der die „Mini-WM auf deutschem Boden“ bereits zum vierten Mal in seiner Karriere gewinnen konnte.

Es war eine beeindruckende Demonstration des Branchenführers im Welttischtennis, und nach zwei, drei Matches des 27-jährigen Ausnahmespielers war eigentlich so gut wie jedem Zuschauer klar, wer am Ende mit Gold dekoriert die Max-Schmeling-Halle verlassen würde. Entsprechend sahen es auch die Journalisten, so etikettierte die FAZ Ma Long als „menschlichen Außerirdischen“.

Lediglich der ewig junge Vladimir Samsonov, der in seinem „dritten Frühling“ ein ganz starkes Turnier spielte und Timo Boll im Viertelfinale gnadenlos abfertigte, konnte den weltbesten Tischtennisspieler ein wenig ärgern, ihm im Finale den ersten und einzigen Satz des gesamten Turniers abluchsen und in einem weiteren Durchgang bis zur Verlängerung auf Augenhöhe agieren. Doch auch „Vladi“ musste letztlich Ma Longs Überlegenheit anerkennen.

Der Turniersieger fegte bis einschließlich Halbfinale alles in Rekordzeit vom Tisch, was sich ihm in den Weg stellte. Seine Gegner, die ja auch nicht gerade Nobodys waren, sahen dabei teilweise wie maßlos überforderte Anfänger aus – so erging es nacheinander Jonathan Groth, Koki Niwa, Kaii Yoshida und sogar Mas chinesischem Rivalen Zhang Jike, der im Halbfinale in keinem Satz über sieben Punkte kam.

Ma gab nach seinem Finalsieg zu Protokoll: „Es war nicht so einfach. Meine Bilanz gegen Vladi ist relativ ausgeglichen. Er ist in guter Form, hat Chuang und Timo besiegt. Auf mögliche Schwierigkeiten habe ich mich vor dem Spiel vorbereitet. Das Endergebnis war nicht so knapp, wie ich es erwartet habe.“

Und der unterlegene 39-jährige Weißrusse sagte den Journalisten: „Natürlich hatte ich mir heute etwas mehr erhofft, aber bei meiner passiven Spielweise bestand leider keine Chance, mehr als den einen Satz zu gewinnen. Darüber habe ich mich sehr gefreut, es war ja der erste Satzverlust von Ma Long in diesem Turnier und auch eine Freude für die Zuschauer. Aber im fünften Satz hat er mir keine Chance gelassen. Dennoch bin ich mit meinem Auftritt in Berlin hochzufrieden.“


Hinsichtlich der sportlichen Ausbeute musste der DTTB gerade bei den Herren enttäuscht sein – 13 Starter und nicht einer überstand die Runde der letzten Acht. Der an zwei gesetzte Dimitrij Ovtcharov, dem im Übrigen der ägyptische 1,97-Meter-Mann Omar Assar einen faszinierenden Kampf auf höchstem Niveau beim 3:4 in der ersten Runde lieferte, war noch nicht in WM-Form, aber das kann ja noch werden.

Nach Assar konnte „Dima“ zwar noch Tang Peng ungefährdet besiegen, doch in der nachfolgenden Runde ereilte ihn das Aus gegen einen unerwartet starken Chuang Chih-Yuan (5:11, 11:9, 8:11, 2:11, 5:11), gegen den der Europameister eine positive Bilanz aufweis, der eigentlich favorisiert in den Ring gestiegen war. Doch das ist Tischtennis, der Ex-Bremer und Ex-Ochsenhausener aus Taiwan war an jenem 30. Januar eben der Bessere und zog verdient ins Halbfinale ein, wo er dann in Samsonov seinen Meister fand.

Ovtcharovs Fazit: „Der Knackpunkt war, dass Chuang im Aufschlag-Rückschlag-Spiel wesentlich besser war als ich. Zusätzlich hat er sich viel besser bewegt. Ich war stattdessen sehr schlecht auf den Beinen. Er hat mich gut angespielt, und ich konnte keinen Fluss in meinem Spiel aufbauen. Er hat mir klar meine Grenzen aufgezeigt, aktueller Stand Januar 2016. Jetzt gilt es, zu arbeiten und sich zu verbessern. Chuang hat einfach stärker gespielt, das muss man akzeptieren, härter trainieren und sich verbessern.“

Bei den Damen spielte sich die lediglich an Position fünf gesetzte chinesische Defensivspielerin Wu Yang (WRL 10) nach längerer Zeit wieder einmal ins Rampenlicht. Wu zeigte der topgesetzten Weltranglistenvierten Ai Fukuhara im Viertelfinale beim 4:0 deutlich die Grenzen auf und demonstrierte überdies, dass die ranghöchste Japanerin nach wie vor weit davon entfernt ist, eine Topchinesin zu schlagen, wenn es um die Wurst geht. Und zu denen ist Wu fraglos zu rechnen, auch wenn fünf andere Damen aus China im aktuellen ITTF-Ranking vor ihr notiert sind.

Nicht zuletzt weil Fukuharas Topspin für dieses Niveau zu schwach ist und man mit nahezu perfektem Block- und Konterspiel ganz oben eben nichts reißt, wenn man der Gegnerin nicht mit Spin das Leben schwer machen kann – schon gar nicht einer Abwehrkünstlerin aus dem „Reich der Mitte“, die mit gefährlichen Schnittwechseln agiert. Die Europäerinnen beißen sich an der untersetzten Japanerin regelmäßig die Zähne aus, wie diesmal auch wieder Deutschlands Nummer zwei Shan Xiaona im Achtelfinale (1:4), die besten Chinesinnen lächeln dagegen eher müde.

Im Finale musste Wu dann etwas mehr ackern, da ihre Kontrahentin Kasumi Ishikawa (WRL 7) zwar nicht so gut blockt und kontert wie ihre Landsfrau Fukuhara, dafür aber einen deutlich besseren Vorhandtopspin in die Waagschale werfen kann. Doch auch diese Waffe reichte bloß für einen Satzgewinn.

Etwas enttäuschend war das Abschneiden der deutschen Topspielerin Han Ying (WRL 9), die im Achtelfinale in der 22-jährigen Südkoreanerin Yang Haeun (WRL 17) ihre Meisterin fand, die in dem Marathonmatch allerdings auch bravourös und mit viel taktischem Geschick spielte. Nach über einer Stunde durfte Yang einen verdienten 4:3-Sieg bejubeln. Doch für einen weiteren Paukenschlag der Koreanerin reichte es nicht mehr, da die nächste Defensiv-Hürde im Viertelfinale, die Chinesin Hu Limei, dann doch zu hoch war und die Kräfte für ein weiteres Ausrufungszeichen nicht mehr reichten (4:1).

Der sonst gerade in seinem Heimturnier traditionell erfolgreiche DTTB hätte auch bei den Damen in die Röhre geguckt, wäre da nicht das Erfolgsdoppel Han Ying / Irene Ivancan gewesen, das es nach vorzüglichen Auftritten bis ins Finale schaffte. Doch dort erwies sich erneut die Koreanerin Yang Haeun als überlegen – diesmal an der Seite ihrer Nationalteamkollegin Jeon Jihee. Mehr als ein Satzgewinn war für die beiden DTTB-Damen gegen das topgesetzte Duo aus Asien nicht drin, die sich aber dennoch über ihre Silbermedaillen freuten. Allerdings schwang in ihren Aussagen unmittelbar nach dem Match auch etwas Enttäuschung mit, da man sich insgeheim schon den ersten World-Tour-Titel in der Super Series beim zweiten Final-Anlauf versprochen hatte. Besonders Irene Ivancan haderte ein wenig mit dem Schicksal: „Ich bin in meinem Leben ewiger Vize.“

Im Herren-Doppel trug sich mit dem Japaner Masataka Morizono immerhin ein Ex-TTBL-Spieler in die Siegerliste ein. Morizono besiegte an der Seite von Yuya Oshima im Finale das Hongkong-Duo Ho Kwan Kit / Tang Peng deutlich. Im U21-Wettbewerb hatte es Ochsenhausens Neuzugang Joao Geraldo, bis zum Saisonende noch in Grünwettersbach unter Vertrag, nach vorzüglichen Leistungen bis ins Finale geschafft. Dort musste sich der 20-jährige Linkshänder aus Portugal, dessen Verpflichtung zweieinhalb Stunden zuvor vom Spitzenreiter der TTBL am Liebherr Stand in der Max-Schmeling-Halle bekannt gegeben worden war, allerdings einem bärenstarken Yuto Muramatsu beugen. Der topgesetzte Defensivkünstler aus Japan diktierte taktisch clever agierend das Geschehen gegen einen etwas zu hastigen Geraldo, der sich trotzdem über seine Silbermedaille freuen konnte.

Wenigstens die Damen-Bundesliga durfte sich über Gold in der Hauptstadt freuen. Mit der 17-jährige Japanerin Yui Hamamoto vom deutschen Ausnahmeklub ttc berlin eastside stand am Ende gewissermaßen sogar eine Lokalmatadorin ganz oben auf dem Treppchen – im Finale hatte sie gegen ihre Landsfrau Hina Hayata bis auf einen Satz das Geschehen gut im Griff.

Das Fazit von Berlin fällt ambivalent aus: zum einen gab es reichlich tollen Sport auf hohem Niveau zu sehen. Der Zuschauerzuspruch war enorm, 14.000 Besucher wurden insgesamt gezählt. Wann gab es das zuletzt, dass – wie am Samstag und Sonntag – bei einem Tischtennisturnier in Deutschland Menschenschlangen vor den Kassenhäuschen im strömenden Regen ausharrten, um an ihr Ticket zu kommen.

Die Ausbeute des DTTB muss als recht bescheiden angesehen werden. Aber das ist Sport und kann passieren. Was hingegen einmal und nicht wieder passieren sollte, ist das unglückliche Reglement. Die Idee, auf Gruppen zu verzichten und die Qualifikation von Anfang an im K.O.-System zu spielen, war einfach nur schlecht. Viele interessante Spieler gingen so den Fans durch die Lappen. Zudem kann es nicht sein, dass Aktive um den halben Erdball nach Berlin reisen, um nach einem einzigen, vielleicht unglücklich verlaufenen Match wieder die Heimreise anzutreten. Großes Kino in Berlin also mit einem kräftigen Wermutstropfen.

Und es gab einen weiteren: die Entscheidung, die Endspiele in den U21-Wettbewerben in der Nebenhalle auszutragen, stieß völlig zu Recht auf Unmut bei vielen Kennern und Fans. Es ist eindeutig das falsche Signal, die Nachwuchsasse, die für die Zukunft unseres Sports stehen, an den Rand zu verbannen und nicht einmal die Finals im Center Court spielen zu lassen. Das kennt man ganz anders von der World Tour und es sollte eine einmalige Ausnahme bleiben.

Aus Fehlern kann, ja muss man lernen. Gute Lösungen für die Zukunft zu finden scheint im übrigen dringlicher als sich in der Präsenz eines Bundesministers zu sonnen, dessen selbstdarstellerische Neigungen in seinem Statement mehr als offensichtlich wurden.

Doch wir wollen den Blick auf das Positive nicht verschließen. Alles in allem waren die fünf Tage von Berlin ein tolles Tischtennis-Spektakel im Olympiajahr vor großer Kulisse mit echten Highlights und einigen Schönheitsfehlern, die es künftig zu vermeiden gilt.

 

DIE ENTSCHEIDUNGEN VON BERLIN

Herren-Einzel

Halbfinale
Ma Long CHN – Zhang Jike CHN 4:0 (7,4,7,7)
Vladimir Samsonov BLR – Chuang Chih-Yuan TPE 4:1 (6,9,-7,8,3)

Finale
Ma Long CHN – Vladimir Samsonov BLR 4:1 (7,6,4,-10,5)

Damen-Einzel

Halbfinale
Wu Yang CHN – Hu Limei CHN 4:0 (8,8,9,7)
Kasumi Ishikawa JPN – Lee Ho Ching HKG 4:1 (7,7,7,-9,9)

Finale
Wu Yang CHN – Kasumi Ishikawa JPN 4:1 (5,7,-9,8,7)

Herren-Doppel

Finale
Masataka Morizono/Yuya Oshima JPN – Ho Kwan Kit/Tang Peng HKG 3:1 (8,-8,6,2)

Damen-Doppel

Finale
Han Ying/Irene Ivancan – Jeon Jihee/Yang Haeun KOR 1:3 (-3,8,-7,-7)

U-21 Herren

Finale
Yuto Muramatsu JPN – Joao Geraldo POR 3:0 (7,4,6)

U-21 Damen

Finale
Yui Hamamoto JPN – Hina Hayata JPN 3:1 (-5,10,6,6)

 

Alle Ergebnisse der German Open 2016 auf der Webseite der ITTF