Matthias Landfried über die neuen Tischtennis Plastikbälle



Umstieg auf die neuen Plastikbälle oder weiter auf die gewohnten Zelluloidbälle setzen? Diese Frage beschäftigt in den nächsten Wochen und Monaten nach Saisonende fast alle Vereine.

Im Profibereich zweitrangig, sind im Amateurbereich für die breite Masse an Vereinen vor allem die Ballpreise ein großes Thema. Egal wie man sie nun nennt, Plastikbälle, Polybälle, P-Bälle, 40+ Bälle, eines haben sie gemeinsam, sie sind wesentlich teurer als die Zelluloidbälle. Aber auch bei letzteren wird es größere Preiserhöhungen geben.

Fast noch heißer diskutiert wird, was denn auf die einzelnen Spieler mit der Umstellung von Zelluloid auf Plastik zukommt. Während sich bis jetzt viele mit öffentlichen Aussagen zurück halten, entweder weil noch Erfahrungen fehlen oder um nicht nachher erwischt zu werden, falsch gelegen zu haben, spricht jetzt Bundesligatrainer Matthias Landfried offen darüber, was sich durch die Plastikbälle ändert.

Statement Matthias Landfried:

Erstmal muss man sagen, dass es nicht den Plastikball gibt, sondern unterschiedlich hergestellte Plastikbälle, die sich spürbar anders spielen. Es gibt verschiedene Hersteller, die mit unterschiedlichen Fertigungsmethoden verschiedene Plastikbälle produzieren. Diese haben teilweise eine Naht, wie man es von den Zelluloidbällen gewohnt ist, teilweise wurden aber in diesem Bereich neuartige Verfahren angewandt und es gibt mittlerweile sogar nahtlose Bälle, die sich bauartbedingt am meisten von den gewohnten Zelluloidbällen unterscheiden.

Jeder empfindet anders. Es wird Spieler geben, die keinen Unterschied feststellen können, andere merken nur geringe Unterschiede und sehen keinen Handlungsbedarf, etwas am Material oder Training zu verändern (hier gibt es eine interessante Umfrage dazu), wiederum andere sehen kleinere bis mittelgroße Unterschiede, die sie aber mit leichten Anpassungen beim Holz oder den Belägen und/oder Training ausgleichen können und es wird auch Spieler geben, für die die Umstellung auf Plastikbälle eine Katastrophe ist.

Am meisten wird den Spielern auffallen, dass der Ball nicht mehr so viel Rotation annimmt, man sich also schwerer tut, einen Aufschlag mit einer guten Qualität (vor allem in Sachen Schnittvariationen und maximaler Rotation) zu spielen, auch Schnittabwehr von Abwehrspielern ist etwas entschärft und man hat auch Spineinbußen beim Topspin. Um weiterhin mit einer hohen Qualität spielen zu können, muss man einen guten Schläger-Ball-Kontakt haben, benötigt einen guten Armzug, einen guten Handgelenkeinsatz, mehr Power und Körpereinsatz (Beine, Rumpf, alles) und es wird allgemein etwas athletischer.
Vor allem in der Anfangsphase, wenn sich alle Spieler noch an die Bälle gewöhnen müssen, werden immer wieder Situationen entstehen, in denen Bälle ungewohnt (ver)springen und man schätzt Rotation und Ballabsprung öfters falsch ein, vor allem weil man sich jahrelang an Dinge gewöhnt hat, die jetzt plötzlich anders sind, da dauert es ein bisschen, bis der „Kopf umgestellt“ hat. Insbesondere das Aufschlag-Rückschlag-Spiel wird für viele anfangs einige „Überraschungen bieten“.

Wenn man mit den neuen Plastikbällen spielt, kommen einem die Bälle etwas größer, heller (weißer) und beim Schläger-Ball-Kontakt härter vor. Wenn man eine normale Beinarbeitsübung mit Topspin auf Block spielt, kommen einem die Unterschiede gar nicht so groß vor, die Unterschiede merkt man wie schon gesagt vor allem bei Aufschlag-Rückschlag, aber auch Topspineröffnung auf Unterschnitt und auch wie man plötzlich arbeiten muss, wenn man Topspin-Topspin spielt.

Meiner Meinung nach ist es nicht nur schwieriger, dem Ball Rotation zu verleihen, sondern ich habe auch den Eindruck, dass die Rotation schneller nachlässt, was es (nicht für alle) einfacher machen kann, Aufschläge (nach einer gewissen Eingewöhnungsphase) zu retournieren und auch das Blockspiel dürfte den meisten einfacher vorkommen.
Nicht nur die Rotation lässt schneller nach, auch die Geschwindigkeit nimmt schneller ab, sobald der Ball den Schläger verlassen hat.

Gewöhnen muss man sich an den unterschiedlichen Absprung der Bälle, denn je nach Schlag (aber auch je nach Ball-Fabrikat!) springen Bälle meistens höher, aber manchmal auch flacher ab.

Aber nicht nur die Absprunghöhe ist ein Thema, sondern auch die Länge der Bälle, z.B. stehen im Aufschlag-Rückschlag-Spiel die Bälle im kurz-kurz oft mehr über dem Tisch. Daher muss man vor allem in der Anfangsphase der Umstellung etwas mehr Fokus auf das Training dieser Bälle über dem Tisch legen und teilweise auch ganz isoliert die verschiedenen Rückschläge trainieren, kurzer Rückschlag, langer aggressiver Schupf, klassischer Flip, RH-Banane, usw., aber auch den Topspin über dem Tisch, wo es weniger tief-hoch gibt, sondern Schläger über Tischniveau und mehr nach vorne ziehen. Alleine schon weil dem Aufschlag etwas die „Flügel gestutzt“ wurden, kann man oft aggressiver attackieren.

Fakt ist aber auch, Tischtennis wird nicht neu erfunden und kaum jemand wird wegen den neuen Plastikbällen völlig abstürzen oder in der Weltrangliste nach oben schießen oder im Amateurbereich drei Spielkassen hochspringen oder gar fallen. Es mag Einzelfälle geben, aber das werden absolute Ausnahmen sein.

Eine generelle Handlungsempfehlung im Hinblick auf Spieltaktik oder spezielle Rückschläge und Platzierungen, kann man sowieso nicht geben, da jeder Spieler seinen eigenen Stil hat und man da kaum allgemeingültige Aussagen treffen kann. Es gibt Feinjustierungen, die jeder für sich austesten kann, z.B. können einige Spieler mit den Plastikbällen besser kurz ablegen, was den Gegner vor Probleme stellt, da die Bälle unerwartet stehen bleiben und im Gegensatz zu den meisten anderen Schlägen (bei denen die Bälle höher abspringen) sogar flacher gelingen.

Es hängt auch immer vom Level ab, wo man spielt und wie austrainiert die Gegner sind und vor allem vom eigenen Spielsystem und den jeweiligen Fähigkeiten. Wenn man nicht auf Topniveau spielt, wo täglich trainiert wird, kann man es in der Anfangsphase sogar ausnutzen, dass die Gegner Eingewöhnungsschwierigkeiten haben und i.d.R. meistens beim Topspin auf Unterschnitt wesentlich größere Probleme haben als gegen Block. Deshalb kann man in diesem Fall auch immer wieder bewusst „locken“ und den Gegner lang anschupfen, um dann bei harmloseren Topspins direkt selber zu „übernehmen“, z.B. je nach eigenem Können mit Spinblock, aktivem Block, diversen Blockvarianten oder Gegentopspin. Nur ein einfacher Passivblock reicht nicht aus, da man dann seinen Vorteil aus der Hand gibt und der andere dann direkt attackieren kann.

In der Umstellungsphase auf die Plastikbälle können auch halblange Bälle ein probates Mittel sein, da sie den Gegner sowieso vor die Schwierigkeit stellen, ob der Ball lang genug für einen Topspin hinter dem Tisch ist oder ob man den Ball über dem Tisch nehmen muss und dazu kommen jetzt noch die ungewohnten Ballabsprünge und -längen, die für eine erhöhte Fehlerquelle sorgen.

Gegen stärkere Gegner reichen einfache Schupfbälle nicht aus, hier muss noch mehr auf eine gute Platzierung geachtet werden. Wenn nicht richtig flach und kurz, dann lieber richtig lang, aggressiv und schnell, Platzierungen zum Beispiel Ellbogen oder weite Vorhand.
Ich stelle teilweise sogar fest, dass neben der zeitweise fast nur noch gespielten RH-Banane, mittlerweile auch wieder verstärkt klassischere schnellere Flipbälle gespielt werden, da die RH-Banane nicht mehr ganz so stark von ihrer unangenehmen Rotation lebt wie vorher.

Nicht nur am Tisch muss man mehr „in die Bälle gehen“, Körpereinsatz und früher am Ball sein, auch beim Gegentopspin verkürzt sich die Distanz zum Tisch etwas, um die Bälle etwas früher nehmen zu können. Wenn man die Bälle fallen lässt, muss man viel „arbeiten“ um die Bälle gegenzuziehen und kann manchmal auch nur noch „heben“.

Man muss jetzt auch erstmal abwarten, bis es von allen Herstellern eine konstantere Qualität gibt und hat auch das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Es gibt so viele verschiedene Kunststoffe und diverse Möglichkeiten, wie man Bälle noch weiter optimieren kann, da wird sich im Laufe der Zeit noch einiges tun.

Seit der Einführung der Plastikbälle im Profibereich, haben mich meine aktuellen (z.B. Mitsuki Yoshida) und früheren Spieler, z.B. aus meiner Zeit in Würzburg, Saarbrücken und Zagreb, aber auch andere Profis, verstärkt um Rat bezüglich ihres Materials gebeten. Bei den Belägen tendieren die Profis dazu, jetzt eine Nuance härtere Beläge als vorher zu spielen (i.d.R. 2,5 Härtegrade) und einige wollten etwas am Holz machen, wo sie sich vor allem „mehr Bogen“ gewünscht haben. Bälle fallen runter, weniger Spin, brauche mehr Bogen, … , das war der durchgängige Tenor.

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